Der Feind meines Vaters - Roman
gewesen war, hatte er mir dasselbe geantwortet. Wo soll ich schon gewesen sein? An der Front natürlich, wie alle, mehr bekam ich nie heraus.
»Was weißt du nicht?« Marisol sah mich an, als hätte sie soeben herausgefunden, was für ein Trottel ich war.
»Ich weiß nicht, ob er ein Kriegsheld ist«, erklärte ich, denn was sie von mir hielt, war mir viel weniger wichtig als das, was sie möglicherweise über den Portugiesen dachte. »Er hat eine dicke Narbe, aber sie könnte auch von einer Blinddarmoperation kommen, wer weiß.«
»Ja, stimmt, ist auch eigentlich egal, weil …« Sie dachte kurz nach, als wollte sie sich selbst überzeugen, ehe sie die einzige Frage stellte, deren Antwort ihr nicht egal war. »Weißt du, ob er eine Freundin hat?«
»Nein.« Ich hatte Mühe, nicht laut loszulachen, als ich an das Gesicht dachte, das Doña Concha machen würde, wenn sie von den erstaunlichen Ambitionen ihrer Tochter erfuhr. »Ich glaube nicht. Er lebt allein.«
»Ah! Na dann. Ich war nur neugierig.«
Als ich dem Portugiesen davon erzählte, lachte er mit mir, doch dann dachte er einen Moment nach und sagte, dass sie ihm von den beiden Mediamujeres auf alle Fälle besser gefiele. Das war natürlich noch vor jenem brütenden Sommernachmittag, als ich um die höllische Stunde, in der Curro vergebens nach Isabel Mariamandil schmachtete und mir erklärte, dass ich eines Tages noch schmelzen würde, am Tor der Kaserne mit ihr zusammenstieß. Sie trug einen Strohhut und hatte ein Handtuch dabei. »Huch, was für ein Zufall!«, sagte sie. »Ich wollte gerade baden gehen, bei der Hitze …« Also kam sie mit mir nach oben, und auf halbem Weg stießen wir auf Pepe. Von diesem Augenblick an wurde sie ziemlich lästig und hörte nicht mehr auf mit ihrem Gekicher, das so gar nicht zu ihrer Figur im Badeanzug passte.
»Verdammt, hat die einen Arsch!«, flüsterte mir Pepe zu, als wir im Wasser waren und sie sich bäuchlings am Ufer ausgestreckt hatte, um sich zu sonnen. So konnte sie uns nicht hören. »Das Gesicht ist hübsch, aber der Hintern passt auf keine Kuhhaut.«
Ich musste so lachen, dass ich Wasser schluckte und einen Hustenanfall bekam. Das war einige Tage vor Cencerros Tod. Unmittelbar danach, als Sonsoles sich weigerte, ohne Bräutigam nach Málaga zurückzukehren, und Doña Concha sich nicht entschließen konnte, Marisol allein zu schicken, angelte die sich schließlich einen von Don Justinos Söhnen. Niemand traute sich noch, ihn Mariamandil zu nennen, seit er nach dem Krieg zum reichsten Olivenbauern des Dorfes geworden war, obwohl er genauso ein Sohn von Doña Mariamandil war wie Isabels Vater. Pedrito studierte Jura in Sevilla und kam nur während der Semesterferien nach Fuensanta, aber Mutter und Tochter waren dermaßen begeistert von ihm, selbst wenn er gerade nicht im Ort war, dass ich schon glaubte, Mediamujer nun für immer los zu sein, und sie schließlich vergaß, bis Vater ein paar Tage nach meinem zehnten Geburtstag erklärte, er habe eine Schreibmaschinenlehrerin für mich gefunden.
»Wen?« Als er es mir sagte, war ich sprachlos. »Mediamujer?«
»Nein, nicht Mediamujer, Nino.« Er hob den Zeigefinger, um mir zu bedeuten, dass er es ernst meinte. »Marisol. Sie heißt Marisol. Nenn sie bloß nicht anders.«
»Aber Vater, die hat doch keine Ahnung«, wandte ich halbherzig ein. »Was soll sie mir schon beibringen?«
Am Ende entpuppte sich diese Frage keineswegs als bloße Rhetorik, sondern als treffende Vorahnung. Marisol brachte mir nie etwas bei. Als ihr Vater nach Hause kam und ihr eröffnete, eine einfache, bequeme Arbeit für sie gefunden zu haben, mit der sie sich ein paar Peseten für ihren Schnickschnack dazuverdienen könne, fragte seine Frau, ob er den Verstand verloren habe. »Ausgerechnet jetzt, wo sich die Kleine mit Pedrito verlobt hat, soll sie arbeiten?«, fuhr sie ihn an, während sie sich mit einem Eifer, der überhaupt nicht zum Januar passte, Luft zufächelte. »Was wird Don Justino denken? Hast du daran schon mal gedacht? Sie nagt doch nicht am Hungertuch, mein Gott, Salvador, du kommst vielleicht auf Ideen!« Michelin verteidigte sich so gut es ging. Es sei doch fast so etwas wie ein Akt der Nächstenliebe, einem Jungen Schreibmaschine beizubringen, in der Kaserne, mit der Büromaschine. Niemand müsse etwas davon erfahren …
Später erzählte er Vater von dieser Szene, wobei die Demütigung noch in seiner Stimme mitschwang. Er wartete mit einer Lösung auf, unterschlug
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