Der Feind meines Vaters - Roman
Unterrichtsstunden, die niemals wirklich welche gewesen waren, hineinplatzte.
Der Grund lag wie immer in den Bergen. Im Vorgefühl des Frühlings hatte die Truppe um den neuen Anführer, den wir alle nur Cencerro nannten, obwohl bislang niemand das Geheimnis um das Gesicht hinter diesem Namen hatte lösen können, ihre Aktivitäten vervielfacht, sodass diese noch nie dagewesene Ausmaße annahmen. Es ging nicht nur um Raubüberfälle und unterschriebene Geldscheine, sondern um durchaus ernstere Dinge, vor allem aber um Propaganda. Mitte Februar waren auf den Wänden mancher verlassener Gehöfte revolutionäre Parolen aufgetaucht, und Anfang März kursierte im Dorf ein Flugblatt mit einem so versierten Text, dass selbst die größten Skeptiker sich schließlich eingestehen mussten, dass dieser nur aus Regalitos Feder stammen konnte. Von nun an hatte die Guardia Civil bloß noch ein Ziel: die Druckerpresse ausfindig zu machen, auf der die Flugblätter hergestellt worden waren. Ihr Inhalt hatte viel weniger Bedeutung als die Existenz der Flugblätter an sich, das war sogar jenen klar, die nur mit einem Kreuz unterschreiben konnten. Obgleich sie theoretisch Stillschweigen über ihr Vorhaben hätten walten lassen müssen, waren wie üblich alle im Bilde, vor allem ich, weil Vater sich ständig über den Druck beklagte, der von oben auf sie ausgeübt wurde. Ich beschränkte mich darauf, das Protokoll seiner Hausdurchsuchungen aus der Ferne zu verfolgen, bis ich ihn eines Tages sagen hörte, dass ihm jetzt nichts anderes mehr übrig bliebe, als zusammen mit Romero auch dem Portugiesen einen Besuch abzustatten.
»Das Oberkommando hat eine eingehende Untersuchung angeordnet, ohne Ausnahme«, erklärte er und verzog das Gesicht. »Da seht ihr es, als würden sie diejenigen, die hier leben, besser kennen als wir, als wüssten sie mehr als wir. Reine Zeitverschwendung!«
Ich bat Mutter, mir den Nachmittagsimbiss schon mit dem Nachtisch zu geben, und lief an diesem Donnerstagnachmittag, an dem ich nicht zu Sonsoles musste, gleich nach dem Unterricht noch mit meinem Schulranzen und allem zur Mühle hinauf. Doch als ich oben ankam, fand ich nur Pepe vor, der sich lässig auf die Brüstung der Veranda stützte und breit grinste.
»Und mein Vater? Ist er schon weg?«
»Nein, er ist unten mit Romero und überprüft das Getriebe der Mühle. Sie werden sich ziemlich schmutzig machen, aber sie können nicht behaupten, dass ich sie nicht gewarnt hätte.«
»Sie suchen nach der Druckerpresse von denen da oben«, murmelte ich leise, als erzählte ich ihm ein Geheimnis.
»Ja, hab ich mir gedacht«, antwortete er, ohne die Stimme zu senken. »Aber hier werden sie sie nicht finden. Wenn sie zeitig fertigwerden, könnten wir Krebse fangen gehen, neulich habe ich eine Stelle gefunden, an der es nur so von ihnen wimmelt, aber ich fürchte, die beiden haben es nicht eilig …«
Schließlich lag er mit allem richtig, wie fast immer. Die Durchsuchung dauerte viel länger als angemessen, und wir mussten auf unsere Krebse verzichten. Vater und Romero kehrten mit leeren Händen, aber vom Kopf bis zu den Stiefelspitzen mit Schlamm und Unkraut bedeckt, zurück.
»Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten, Pepe«, sagte Vater, ehe er sich verabschiedete. »Du weißt ja, Befehl ist Befehl, da kann man nichts machen. Komm, Nino, wir gehen nach Hause …«
»Ich bleibe noch ein bisschen.«
»Nein. Du kommst mit, nachher ist deine Mutter böse, und ich muss es wieder ausbaden.«
Es blieb mir nichts anderes übrig, als zu gehorchen, und während ich neben ihm herging, dachte ich, dass ich zwar nicht so schlau war wie Regalito, aber eine abgelegene, bewohnte Mühle am Fuß der Berge der letzte Ort wäre, an dem ich an seiner Stelle eine Druckerpresse verstecken würde. Doch dann sah ich wieder den Zettel vor mir, auf dem mit Bleistift der volle Name des Verräters geschrieben stand; diesen Beweis, der nie auftauchen würde, weil ich ihn in acht Stücke zerrissen und an acht verschiedenen Stellen vergraben hatte. Sotero López Cuenca, Comerrelojes, eine Botschaft an die Cabezalargas oder auch nicht, ich würde es nie erfahren. Ich hätte Vater gern danach gefragt, ob sie im Haus des Portugiesen Bücher gefunden hatten. Ihm, der sich so sehr über meinen Hang zum Lesen wunderte, wäre diese Frage sicher nicht seltsam erschienen, trotzdem hielt ich den Mund. Die Guardia Civil durchsuchte weiterhin ohne Ausnahme alle Häuser, in denen die
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