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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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neben ihm Platz.
    »Willst du nicht mehr mit mir reden, oder was?«
    Als er mich holen kam, hatte ich länger als einen Tag mit niemandem gesprochen, außer mit Mutter, die hin und wieder ins Kinderzimmer gekommen war, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen. Ich hielt mir den Bauch, machte ein leidendes Gesicht und sagte, schlecht. Es war nicht gelogen. Mir ging es schlechter als je zuvor im Leben. Viel gravierender als der harte Schlag waren die Folgen, die unvermutete, radikale Zerstörung meiner Welt, all dessen, was dank jener Glückssträhne im Frühling in mir gekeimt und aufgeblüht war. Das schmerzte am meisten in den leblosen Stunden, die ich im Bett verbrachte und an die Decke starrte, als wäre sie ein Spiegel, der meine innere Verfassung zurückwarf. Ich blickte auf den Idioten, der nicht gewusst hatte, wo sein Platz war, nicht verstehen wollte, was seine Pflicht war und wem seine Loyalität zu gelten hatte, der Raum und Zeit herausgefordert hatte, indem er einen fiktiven, illusorischen Weg eingeschlagen hatte und ein Leben außerhalb des Kalenders führte. Ich hatte keine Ähnlichkeit mit Paquito, Alfredo oder Miguel, nicht weil ich anders war, sondern weil ich ein Idiot war. So fühlte ich mich, wie eine leere Hülse.
    »Ob du nicht mehr mit mir reden willst?« Der Portugiese stieß mich mit dem Ellbogen an, damit ich ihn ansah.
    »Nein«, sagte ich und blickte wieder auf den Fluss. »Du und ich dürften nicht einmal zusammen sein.«
    »Warum nicht?« Ich kannte ihn so gut, dass ich sein Gesicht nicht sehen musste, um zu wissen, dass er lächelte. »Wir sind Freunde, oder nicht?«
    »Jetzt nicht mehr.«
    »Aber warum?«, fragte er erneut. »Weil mir Paula gefällt und du der Sohn eines Guardia-Civil-Beamten bist?«
    »Genau.«
    Da lachte er. Er lachte, drehte sich zu mir um, packte mich an den Schultern und zwang mich, ihn anzusehen. Sein Haar war von der Sonne gebleicht, seine Haut braungebrannt, die Zähne strahlend weiß, einer schief abgebrochen wie die Klinge eines Messers; der Mann, der ich hatte sein wollen. Ich spürte einen wehmütigen Stich angesichts all dessen, was ich gerade verlor, Jules Verne, Doña Elena, eine endlose Geschichte aus Fragen und Antworten, den wahren Grund für die knappe Vier, die mir Don Eusebio gegeben hatte, bestimmte Stellen am Fluss, wo man nur ein Schmetterlingsnetz ins Wasser halten musste, um jede Menge Krebse zu fangen, die bocadillos mit Tomaten oder was immer gerade da war, und ein Häuschen am Fuß der Berge, mit einem Garten, einem kleinen Olivenhain, ein paar Tieren, ein paar Freunden und wenigen Dingen, damit alles ordentlich aussah, ohne dass man jemals putzen musste. All das würde ich verlieren, all das verlor ich gerade, und allein der Gedanke daran brach mir das Herz. Deshalb wollte ich an nichts denken, wollte nicht reden, weder mit ihm noch sonst jemanden.
    »Wenn das so ist, Nino, dann hast du gar nichts verstanden.« Noch immer klang seine Stimme heiter.
    Ich hatte nicht das erste Mal das Gefühl, als könne er meine Gedanken lesen, trotzdem war ich sicher, dass mich an diesem Nachmittag nichts überzeugen würde, egal was er mir erklärte. Fast hätte ich es ihm gesagt und ihn gebeten, mich in Ruhe zu lassen, denn Vater habe Pesetilla hinterrücks erschossen, und das könne man nicht aus der Welt schaffen. Die Wahrheit ist auch das, was geschehen ist, obwohl wir alles darum geben würden, es ungeschehen zu machen. Ich hätte alles gegeben, um diesen Tod rückgängig zu machen, doch ich sah keinen Ausweg, keine Lösung und nur eine einzige Möglichkeit für mich.
    Ich musste lernen, neu zu denken, zu sprechen, die Dinge anders zu benennen. Ich musste lernen, dass ein Angehöriger der Guardia Civil namens Antonino Pérez lediglich das Fluchtgesetz auf einen Verbrecher angewendet hatte, der im Begriff war zu fliehen und dessen Sohn Regalito den Lehrer beleidigt hatte und anschließend in die Berge gegangen war, weil auch er ein Verbrecher war. Oder dass die Frauen, die Eier verkauften, und die, die sie ihnen abkauften, gegen das Gesetz verstießen, genau wie die Dorfbewohner, die in den Bergen Espartogras sammelten, es verarbeiteten oder damit handelten, obwohl sie wussten, dass es verboten war. Nur so würde ich später lernen können, dass Cencerro ein Verbrecher gewesen war, obwohl er der schlaueste, kräftigste und mutigste Mann war, den ein Idiot wie ich bewundert hatte, ebenso wie seine Frau eine Verbrecherin war, weil sie ihn geliebt, mit

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