Der Feind
warne dich, Mitchell. Das Glück wird auch dich eines Tages verlassen. Du stößt immer mehr Leute vor den Kopf. Und die allgemeine Entschlossenheit im Kampf gegen den Terrorismus lässt schon wieder nach. In ein paar Jahren werden wieder die Liberalen das Sagen haben – und glaube mir, sie werden eine Hexenjagd starten, wie wir sie seit den Tagen der Church Hearings nicht mehr erlebt haben. Sie werden die CIA auseinandernehmen – darum geht es ja auch bei der National Intelligence. Damit wollen sie erreichen, dass Cowboys wie du entsprechend überwacht und an die kurze Leine gelegt werden.«
»Nun, dann wird es dich vielleicht überraschen, dass es Senator Hartsburg war, der mir geraten hat, Direktor Ross einen kleinen Besuch abzustatten.«
Irene Kennedy sah ihn ungläubig an.
»Es stimmt«, fuhr Rapp fort. »Während du dir also Sorgen darüber machst, was im Kapitol vor sich geht, hat mir einer der liberalsten Senatoren in der ganzen Stadt gesagt, dass man mit Ross am besten fertig wird, indem man ein ernstes Wort mit ihm redet.«
»Du hast mit Senator Hartsburg darüber gesprochen?«
»Ja.«
»Das glaube ich nicht.«
»Ruf ihn an.«
Kennedy blickte auf ihr Telefon hinunter, zögerte einen Moment und fragte dann: »Warum solltest du wegen so etwas zu Hartsburg gehen?«
»Der Mann weiß, worum es geht. Er ist auf unserer Seite. Ross war sein Kollege im Senat, und Hartsburg hat ihn für das neue Amt vorgeschlagen. Ich dachte mir, nachdem er und ich jetzt so enge Freunde sind, könnte ich ihn ja mal ersuchen, Ross ein bisschen an der Leine zu ziehen, damit er Coleman in Ruhe lässt.«
»Und?«
»Er hat gesagt, ich soll Ross besuchen und dafür sorgen, dass er sich in die Hose macht.«
Sie runzelte die Stirn. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Und ob. Genau das waren seine Worte. Er hat mir genau das geraten, was ich dann getan habe. Er hat gemeint, dass Ross genau weiß, wie der Präsident zu mir steht, und dass er sofort einen Rückzieher machen würde, sobald ich ihm das in Erinnerung rufe.«
»Und wie hat Ross reagiert?«
Sie wollte genauere Informationen von ihm; das bedeutete, dass derjenige, der ihr von der Sache erzählt hatte, ihr keine Details berichtet hatte. Bis jetzt hatte Rapp angenommen, dass es Ross selbst war, der Kennedy angerufen und ihr ordentlich den Kopf gewaschen hatte. Und wenn das der Fall war, hatte Rapp große Lust, Ross ein zweites Mal zu besuchen. »Er hat es dir nicht selbst gesagt?«
Irene Kennedy schüttelte den Kopf.
»Wer dann?«
»Das möchte ich lieber nicht sagen.«
Das war das Problem mit zwei Berufsspionen; keiner wollte sich vom anderen in die Karten schauen lassen.
»Wenn du wissen willst, wie das Gespräch verlaufen ist, musst du mir sagen, von wem du es weißt.« Rapp verschränkte die Arme und wartete. Er war fest entschlossen, eher ihr Büro zu verlassen, als ihr so ohne Weiteres mehr zu verraten.
Irene Kennedy überlegte eine ganze Weile, ehe sie schließlich sagte: »Jonathan Gordon hat mich heute Vormittag angerufen.«
»Gordon?«, fragte Rapp etwas überrascht. Er hatte den Mann wohl falsch eingeschätzt. »Was hat er gesagt?«
»Nur, dass es ihm leidtut, dass die Sache so gelaufen ist. Als ich fragte, welche Sache, wurde ihm erst klar, dass ich gar nicht wusste, was du getan hast. Ich glaube, das war der eigentliche Grund seines Anrufs. Er wollte herausfinden, ob ich dich geschickt habe oder ob du eigenmächtig gehandelt hast.«
»Was hast du ihm gesagt?«
»Ich habe ihm gesagt, dass ich keine Ahnung hatte, dass du dich zu einer Besprechung mit ihnen getroffen hast. Er sagte, dass er es nicht unbedingt eine Besprechung nennen würde. Ich bat ihn, sich etwas deutlicher auszudrücken, und er meinte, es wäre besser, wenn ich die Sache von dir erfahre.«
»Sonst nichts?«, fragte Rapp. »Er hat die Sache mit Coleman gar nicht erwähnt?«
»Nur, dass er Direktor Ross gesagt hätte, dass es keine gute Idee wäre, in den Geschäften von Privatpersonen herumzuschnüffeln.«
Rapp war zufrieden. Vielleicht würde dieser Gordon wirklich einen guten Einfluss auf Ross ausüben.
»Und jetzt erzähl mir die Geschichte.«
»Also«, begann Rapp und versuchte sich zu erinnern, wie sich alles zugetragen hatte. »Als ich ins Büro ging, waren Ross, Gordon und zwei andere Leute da. Ich begann ganz höflich, aber es wurde ziemlich schnell sehr ungemütlich.«
Irene Kennedy schloss die Augen und fragte: »Was ist passiert?«
»Ich sah ein Foto auf dem
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