Der Feind
Konferenztisch liegen, auf dem Coleman auf seinem Firmengelände zu sehen war, und da sind mir die Sicherungen durchgebrannt. Mir wurde klar, dass sie gerade über Coleman gesprochen hatten. Ich sagte den beiden anderen, dass sie hinausgehen sollten, und dann habe ich Ross ordentlich die Leviten gelesen.«
Irene Kennedy hatte die Augen immer noch geschlossen. »Und wie hat er reagiert?«
»Nicht so gut.«
»Wurde er wütend?«
»Ja.«
»Was wiederum heißt, dass du noch wütender geworden bist.«
»Kann man so sagen.« Rapp neigte den Kopf zur Seite und biss sich auf die Unterlippe.
»Bitte, sag mir, dass du ihn nicht geschlagen hast oder ihm mit körperlicher Gewalt gedroht hast.«
»Äh … also, ich habe ihn nicht wirklich geschlagen. Ich habe ihm nur einen Klaps mit Colemans Akte auf den Kopf gegeben. Es war seine Überwachungsakte oder seine Steuererklärungen … ich weiß es nicht mehr genau.«
»Oh, Mitchell.« Sie öffnete die Augen. »Was zum Teufel sollen wir bloß mit dir machen? Der Mann ist der Direktor der National Intelligence. Er ist mein Chef. Hast du irgendeine Ahnung, was das bedeutet?«
»Also, ehrlich gesagt, nein, Irene. Sein neuer Verein – das sind doch bloß zweihundert Leute mehr, die genau das machen, was mindestens drei andere Einrichtungen sowieso schon tun. Scott Coleman ist ein guter Mann, der seinen Arsch öfter aufs Spiel gesetzt hat, als wir beide zählen können, und ich werde nicht zusehen, wie ein Typ wie Ross ihn piesackt, nur um uns zu zeigen, dass die Stadt einen neuen Sheriff hat.«
»Da würde ich dir ja auch gar nicht widersprechen, aber es gibt bessere Wege, die Sache zu regeln.«
»Wie denn?«, fragte Rapp ungehalten. »Wie hätte man es denn besser machen können? Das Problem ist gelöst, Ross hat seine Botschaft bekommen, und Coleman und ich können uns wieder darum kümmern, Terroristen zu jagen.«
»Und was ist, wenn Ross es nicht so einfach hinnimmt? Was ist, wenn du ihn damit nur wütend gemacht hast und sonst nichts?«
»Glaubst du, es interessiert mich auch nur im Mindesten, ob mich der Typ mag oder nicht?«
»Du bist zu leichtsinnig, Mitchell«, erwiderte Irene kopfschüttelnd. »Jonathan Ross ist ein Mann, den du vielleicht eines Tages gern auf deiner Seite hättest.«
»Männer wie Ross brauche ich nicht auf meiner Seite. Alles, was ich von ihnen will, ist, dass sie mir nicht im Weg herumstehen.«
30
WASHINGTON D.C.
Der Tag verlief nicht unbedingt wie geplant. Kurz nachdem Anna Rielly ihren ersten Live-Bericht absolviert hatte, wurde Claudia plötzlich sehr übel. Louie konnte sie gerade noch auf die andere Straßenseite führen, bevor ihr Frühstück wieder hochkam, buchstäblich zu Füßen des großen Jean-Baptiste-Donatien de Vimeur Rochambeau. Goulds Vater wäre sehr enttäuscht gewesen, dass sie es nicht bis zur Statue von Andrew Jackson geschafft hatte. Louie bemühte sich nur, dass sie von den vielen Überwachungskameras rund um das Weiße Haus wegkamen. Als Claudia ihren Übelkeitsanfall überstanden hatte, kehrte Louie mit ihr ins Hotel zurück. Sie schaffte es fast ohne anzuhalten, doch eineinhalb Blocks vor dem Hotel musste sie sich noch einmal übergeben. Louie strich ihr über den Rücken und lächelte den besorgt dreinblickenden Passanten etwas verlegen zu. Eine ältere Frau blieb sogar stehen. Louie erklärte ihr, dass Claudia schwanger sei, und die Frau verstand sofort; sie ließ sich sogar zu der Schilderung hinreißen, wie schwer sie es selbst bei ihren vier Kindern gehabt hätte. Sie hätte gern noch ein fünftes Kind gehabt, doch die Vorstellung, diese quälende Übelkeit noch einmal ertragen zu müssen, hielt sie schließlich davon ab. Die nette Dame riet Louie, dafür zu sorgen, dass seine Frau sich möglichst viel Ruhe gönnte.
Louie bedankte sich für den Rat und half Claudia ins Zimmer hinauf. Diesmal nahmen sie den Aufzug. Sie setzte sich auf die Bettkante, und er zog ihr die Schuhe aus. Ohne sich erst auszuziehen, kroch sie zitternd und bleich unter die Bettdecke. Louie stand hilflos daneben und fragte sich, was er tun sollte. Er wollte nicht unsensibel erscheinen, aber es gab viel zu tun, und er wusste wirklich nicht, ob es ihr half, wenn er bei ihr blieb. So als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte ihm Claudia, dass er unbesorgt gehen könne und dass sie gut allein zurechtkomme. Sie wollte ohnehin nur noch schlafen.
Gould zog sich um; er wählte diesmal ein weißes Hemd mit Krawatte und einen dunkelgrauen
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