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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Gelegenheit, um die Gruppe zu überholen. Er wollte sich nicht verspäten. Einen Block weiter erreichten sie die nordwestliche Ecke des Lafayette Square und kamen an der Statue von Baron von Steuben vorbei. Steuben war ein deutscher Offizier, der im Unabhängigkeitskrieg an der Seite George Washingtons gekämpft hatte. Sie sahen nun bereits das Weiße Haus und die imposante neoklassizistische Fassade des Treasury Building vor sich. Louie blickte auf die Uhr und verlangsamte seine Schritte.
    »Als ich noch klein war, nahm uns mein Vater oft an sonnigen Sonntagen zu einem Picknick hierher mit.« Louie ging weiter und blickte sich um. »Mein Vater mochte diesen Park sehr.«
    Claudia war überrascht, dass Louie von seinem Vater erzählte, was er eigentlich nie tat. »Warum?«, wollte sie wissen.
    »Lafayette … der berühmte Franzose, der im Unabhängigkeitskrieg an der Seite der Amerikaner gekämpft hat. Der Park ist nach ihm benannt.« Louie zeigte zur Südwestecke hinüber. »Da drüben steht General Rochambeau, der französische Held der Schlacht von New Orleans, und in der anderen Ecke steht General Lafayette selbst.«
    Claudia blickte in die Mitte des Parks, wo die prächtige Statue eines Mannes auf einem Pferd zu sehen war. Das Pferd stand mit den Hinterbeinen auf einem riesigen Granitblock, während der Reiter mit seinem Hut winkte. Die Statue war von vier Kanonen umgeben. »Meinst du nicht die Statue da drüben?«
    »Sollte man meinen«, antwortete Louie mit einem spöttischen Lächeln, »aber das ist Präsident Andrew Jackson. Mein Vater hatte überhaupt kein Verständnis dafür, dass sie in einem Park zu Ehren der Verbündeten, die Amerika in seinem Bestreben nach Unabhängigkeit zur Seite standen, nicht eine Statue von Lafayette aufstellten, sondern von einem amerikanischen Präsidenten.«
    »Wenn ihn das so geärgert hat, warum ist er dann immer mit euch hierhergekommen?«
    »Das ist eine gute Frage«, sagte Louie und schwieg eine Weile, während er Hand in Hand mit ihr weiterging. Als sie sich schließlich dem südlichen Rand des Parks näherten, sagte er: »Vielleicht ist auch nur meine Mutter so gern hergekommen. Meine Schwestern und ich waren damals noch sehr klein. Das war in der Zeit, als mein Vater zum ersten Mal in Washington tätig war. Meine Mutter hielt nicht viel vom Fernsehen, das damals schon eine große Rolle spielte. Meine Schwester und ich liebten es. Man lernte außerdem durch nichts schneller das amerikanische Englisch als durch das Fernsehen.«
    »Ja, aber warum gerade in diesen Park?«, wollte Claudia wissen.
    »Ihr war alles recht, was uns hinaus und vom Fernseher wegbrachte. An den Samstagen unternahmen wir immer kleine Bildungsreisen. Wir besuchten jedes Museum in der Stadt, jeden Park und jede Statue. Und am Sonntag kamen wir dann immer hierher, wenn es das Wetter zuließ.« Louie überlegte einige Augenblicke, ehe er hinzufügte: »Mein Vater liebte und hasste Amerika gleichzeitig. Er wies aber immer wieder darauf hin, dass der amerikanische Traum nur möglich wurde, weil Frankreich der jungen Nation militärisch zur Seite gestanden hatte.«
    »Wenn aber die Amerikanische Revolution nicht gewesen wäre, dann würden wir Franzosen wohl immer noch von einem König regiert werden.«
    Louie lachte. »Das habe ich ihm auch eines Tages gesagt, als ich schon in der Highschool war. Er lief so rot an vor Zorn, dass ich einen Moment lang dachte, er würde mich schlagen.«
    Sie erreichten den südlichen Rand des Parks. Zwischen ihnen und dem Weißen Haus lag nur noch die Pennsylvania Avenue sowie ein schwarzer schmiedeeiserner Zaun und eine Gruppe von schwer bewaffneten Männern, von denen jedoch nur einige wenige zu sehen waren. Louie blickte auf die andere Seite des Zauns. Vor dem Westflügel waren Fernsehkameras postiert, um die sich eine Gruppe von Leuten versammelt hatte. Louie erspähte sie fast auf den ersten Blick, wenngleich er aus dieser Entfernung nicht hundertprozentig sicher sein konnte, dass sie es war.
    »Hier.« Er reichte Claudia seinen Kaffeebecher und griff nach der Digitalkamera. Louie stellte das Gerät auf Automatik ein und richtete sie auf das Weiße Haus. Er knipste mehrere Fotos, so wie Tausende von Touristen es jeden Tag taten. Schließlich schwenkte er zu den Reportern und Kameraleuten hinüber und fand sie ohne Mühe. Sie telefonierte gerade mit dem Handy und lachte. Louie schoss ein Foto und blickte auf das Display. Ja, sie war es. Er zeigte Claudia das Bild, und

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