Der Feind
fügte er hinzu und legte eine Hand auf ihren Bauch.
»Eine leichte Verstopfung, aber sonst ist alles bestens.«
»Wie romantisch«, sagte er und verzog das Gesicht.
»Du hast mich ja gefragt.« Sie setzte sich neben ihn, lehnte sich zurück und zupfte an den Bändern seines Krankenhausnachthemds. »Ich kann deine Pospalte sehen.«
Rapp schüttelte den Kopf. »Warum lassen sie einen bloß diese Dinger anziehen?«
»Das weißt du nicht?«
»Nein.«
»Es soll dem Patienten ein bisschen die Identität nehmen, damit er schön brav ist und tut, was sie ihm sagen.«
»Wo hast du denn das gehört?«
»Das weiß ich nicht mehr«, antwortete sie achselzuckend.
Rapp überlegte einige Augenblicke. »Ich schätze, du hast recht«, sagte er schließlich.
»Na klar. Überleg doch nur – was macht ihr, wenn ihr einen Terroristen verhört? Ihr schert ihm den Kopf, rasiert ihm den Bart ab und zieht ihm die Kleider aus. Aber jetzt mal im Ernst – wie fühlst du dich?«
»Ganz okay. Ich will es einfach nur hinter mich bringen. Ich hasse Krankenhäuser.«
»Wenigstens bist du nicht hier, damit sie dir eine Kugel herausschneiden müssen.«
Rapp machte ein säuerliches Gesicht. »Danke, dass du mich jetzt an so was erinnerst.«
Sie legte den Arm um ihn. »Liebling, es wird alles gut. Der Arzt hat gemeint, dass es kein komplizierter Eingriff ist. Spätestens um eins sind wir wieder daheim.« Sie machte sich wirklich Sorgen um ihn, wenn auch nicht aus den Gründen, die man normalerweise vermuten würde. Die Schmerzen waren für Mitch kein Problem, damit konnte er umgehen. Was ihm jedoch zu schaffen machte, war die Tatsache, dass er das alles über sich ergehen lassen musste, ohne selbst etwas tun zu können. Mitch war ein so eigenständiger und unabhängiger Mensch, dass er es nur schwer ertragen konnte, sich anderen ausliefern zu müssen.
»Ich bin am Verhungern«, platzte er heraus.
Annas Ehemann war ein starker Esser. Sie strich ihm mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. »Wir können ja auf dem Heimweg kurz anhalten und etwas essen.«
Die Tür ging auf, und eine zierliche Krankenschwester mit einem Klemmbrett in der Hand kam herein. »Mr. Mitchell Rapp?«
»Das bin ich.«
Sie blickte auf ihre Unterlagen. »Wir haben Sie für heute Vormittag zur Sterilisation eingeteilt.«
Rapp starrte die Frau wortlos an. »War nur ein Scherz«, beruhigte sie ihn, bevor er etwas sagen konnte. »Mein Name ist Deb, und ich bereite Sie jetzt für die Operation vor.«
Anna lachte, Mitch nicht.
»Sie müssen Mrs. Rapp sein«, sagte die Schwester und streckte ihr die Hand entgegen.
»Anna. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Wo haben Sie denn einen solchen Kerl gefunden? Solche Schultern.« Die Krankenschwester trat einen Schritt zurück und begutachtete ihn, als wäre er ein Stück Rindfleisch.
»Na ja, ich musste schon eine ganze Weile suchen, bis ich ihn unter all den anderen Typen aufgestöbert habe.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Rapp lachte.
»Okay«, sagte die Schwester und wandte sich wieder Rapp zu. »Das rechte Knie, nicht wahr?«
»Nein«, erwiderte er erschrocken, »das linke!«
»Ich weiß, ich weiß«, beruhigte sie ihn. »Ich mache nur Spaß, damit Sie ein wenig lockerer werden, verstehen Sie? Sie sehen so angespannt aus. So, setzen Sie sich mal ganz auf den Tisch.« Sie zog einen dicken schwarzen Filzstift hervor und schrieb »NO« auf das rechte Knie und »YES« auf das linke.
»Dr. Stone ist der Beste in seinem Fach. Er hat letztes Jahr den Vizepräsidenten am Knie operiert.«
»Ich habe den Vizepräsidenten kennengelernt. Ich bin nicht beeindruckt.«
»Ich auch nicht«, flüsterte sie und verdrehte die Augen. »Ein Miesepeter, wenn Sie mich fragen. Na, egal … Dr. Stone operiert auch die ganzen Eishockeyspieler – lauter starke Kerle, so wie Sie.« Sie fasste ihn an den Schultern. »Also … Sie beide kommen mir irgendwie bekannt vor. Sie sind nicht zufällig irgendwelche wichtigen Persönlichkeiten?«
»Ich nicht«, antwortete Rapp, »aber sie ist wichtig.«
Die Krankenschwester legte die Hände an die Hüfte und sah Anna aufmerksam an.
»Ich bin die NBC-Korrespondentin für das Weiße Haus. Anna Rielly.«
»Genau. Mein Mann sieht Sie wahnsinnig gern.«
»Welcher Mann tut das nicht«, bemerkte Rapp trocken.
Anna gab ihm mit dem Handrücken einen Klaps auf die Brust. »Hören Sie nicht auf ihn. Er ist ein alter Nörgler.«
»Hat er etwa Angst?«, fragte die Schwester, ohne Rapp
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