Der Feind
Frankreich, Israel und Jordanien. Sie konnten zwar nicht beweisen, dass er die Al-Kaida und andere Terrororganisationen gezielt finanziell unterstützte – sie wussten jedoch, dass er über zwanzig Millionen Dollar an Wohltätigkeitsorganisationen überwiesen hatte, die in Verbindung mit Terrorzellen standen. Die Geheimdienstchefs waren sich einig darin, dass Muhammad den religiösen Extremisten in Saudi-Arabien viel zu freundlich gesinnt war, als dass man ihm die Leitung des Geheimdienstes anvertrauen konnte. Die Staats- und Regierungschefs von Amerika, Großbritannien, Frankreich und Deutschland überzeugten den König schließlich, seinem Halbbruder ein anderes Ministeramt zu übertragen. Offiziell hieß es in Saudi-Arabien, dass Mohammad sich einsichtig zeigte; Irene Kennedy hatte jedoch gehört, dass er nicht so ohne Weiteres gehen wollte.
Sie beobachtete Ross, wie er sich durch die Menge arbeitete. Prinz Muhammad ging, das Protokoll missachtend, direkt auf Ross zu, der nun ungefähr in der Mitte des Saales war. Sie schüttelten einander die Hand, Ross mit mehr Enthusiasmus als der Prinz. Irene Kennedy verfolgte mit großem Interesse, wie die beiden Männer einige Worte wechselten, als der Prinz plötzlich zu lachen begann. Seine makellosen weißen Zähne standen in scharfem Kontrast zu dem schwarzen Bart. Prinz Muhammad legte die Hand auf Ross’ Schulter und sah ihn mit einem warmen Lächeln an. Schließlich begann sein Blick durch den Saal zu schweifen und ruhte einen Moment lang auch auf der CIA-Direktorin.
»Sie scheinen nicht gerade scharf darauf zu sein, mit ihm zu sprechen«, stellte Gordon fest.
»Na ja«, antwortete sie, während sie weiter die beiden Männer beobachtete, »es gibt nicht viele in der CIA, die irgendeinen Sinn darin sehen würden, mit Prinz Muhammad zu sprechen.«
»Sie trauen ihm nicht?«
Was für eine Frage , dachte sie. »In unserem Geschäft geht es nicht um Vertrauen, Jonathan. Unser Job ist die Spionage.« Es war ihr durchaus bewusst, dass Ross alles, was sie jetzt sagte, erfahren würde, deshalb überlegte sie sich ihre nächsten Worte gut. »Prinz Muhammad ist kein Verbündeter von uns. Er ist ein Mann, der in Wahrheit die Überzeugungen der Al-Kaida teilt. Das sollte man nie vergessen, egal, wie amerikafreundlich er sich auf dieser Reise gibt.« Sie wandte sich Jonathan Gordon zu. »Falls Ihr Chef für die Zukunft irgendwelche politischen Ambitionen hat, würde ich ihm raten, sich nicht zu eng mit Prinz Muhammad anzufreunden.«
36
GEORGE WASHINGTON UNIVERSITY HOSPITAL
Rapp saß auf der Kante des Untersuchungstisches und blickte auf den Streifen glatte Haut hinunter, der von der Mitte seines linken Oberschenkels bis zur Mitte des Schienbeins verlief. Er war stolz auf sich, dass es ihm gelungen war, sich zu rasieren, ohne sich zu schneiden. Er wusste, dass sie das auch hier getan hätten, doch er war nicht allzu versessen darauf, sich von Leuten mit scharfen Gegenständen berühren zu lassen. Es war ohnehin schon schlimm genug, dass er für die Operation eine Narkose brauchte. Doch so ungern er es sich auch eingestand – er wusste, dass der Eingriff unumgänglich war. Er hatte die Sache lange genug hinausgeschoben.
Anna war bei ihm, doch wie üblich telefonierte sie mit ihrem Handy. Manchmal fragte sich Rapp, ob das Ding nicht schon an ihrem Kopf angewachsen war. Falls die Rollen vertauscht gewesen wären und sie unters Messer hätte müssen, so war er sich sicher, dass sie ihm böse Blicke zugeworfen hätte, wenn er es gewagt hätte, endlos zu telefonieren. Rapp zeigte auf ein Schild an der Wand über dem kleinen Schreibtisch. Es zeigte ein Handy, das klar und deutlich durchgestrichen war. Anna sah ihn missbilligend an. Rapp zeigte noch einmal auf das Schild, doch sie streckte ihm die Zunge heraus und kehrte ihm den Rücken zu. Rapp konnte sich das Lachen nicht verbeißen.
Es war kurz nach sieben Uhr morgens, und er hatte einen Bärenhunger. Doch man hatte ihm strikt untersagt, vor der Operation etwas zu essen. Sie wollten vermeiden, dass er auf den Operationstisch kotzte. Anna beendete schließlich ihr Gespräch und drehte sich zu ihm um.
»Das war Phil. Er wünscht dir alles Gute.«
»Wer ist Phil?«
»Mein Chef, Mr. Klugscheißer.«
Rapp war dem Mann noch nie begegnet, obwohl seine Frau schon fast ein Jahr mit ihm zusammenarbeitete. »Und wie fühlst du dich heute, Schatz?«, fragte er und forderte sie mit einer Geste auf, zu ihm zu kommen. »Alles okay?«,
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