Der Feind
anzusehen.
»Ich denke schon.«
»Ich habe Hunger«, stöhnte Rapp.
»Nun, dann sehen wir zu, dass wir es hinter uns bringen. Anna, ich begleite ihn jetzt in den Vorbereitungsraum, und danach geht’s gleich in den OP. Sie können so lange in der Lobby warten.«
Sie standen beide auf. Anna nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn auf die Lippen. »Ich liebe dich, Schatz. Viel Glück.«
»Ich liebe dich auch.« Rapp drehte sich um und humpelte zur Tür.
Anna folgte ihm auf den Gang hinaus und sah zu, wie die zierliche Schwester ihn wegführte. Durch das Krankenhausnachthemd, das er trug, konnte sie einen Blick auf seinen Hintern erhaschen, und sie konnte es sich nicht verkneifen, ihm anerkennend nachzupfeifen. »Netter Po.«
Rapp senkte den Kopf und schüttelte ihn gleichzeitig. Anna verbiss sich das Lachen und bedauerte, dass sie ihre Kamera nicht mitgenommen hatte.
37
ANNE ARUNDEL COUNTY, MARYLAND
Gould hatte den Kleintransporter am Tag zuvor in einer kleinen Gebrauchtwagenhandlung am Stadtrand von Annapolis für 4500 Dollar erstanden. Der Händler hatte ihm versichert, dass der Pick-up in ausgezeichnetem Zustand sei, doch Gould dachte nicht daran, sich darauf zu verlassen. Er kaufte neue Reifen und eine neue Batterie, um auf Nummer sicher zu gehen. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel, um irgendetwas dem Zufall zu überlassen. Als Nächstes suchte er einen Home-Depot-Baumarkt auf, um all das zu besorgen, was er für sein Vorhaben benötigte, unter anderem eine Ausziehleiter, etwas Werkzeug, ein Verlängerungskabel, zwei Hochdruckschläuche, fünf verschiedene Arten von Klebeband, eine Rolle Kunststofffolie, ein Messer, sechs Benzinkanister und zwei große Propangasbehälter. Nachdem er in einem Radio-Shack-Elektronikgeschäft auch noch eine Fernbedienung gekauft hatte, fuhr er zum Hotel zurück und teilte Claudia seinen Plan mit.
Sein Ärger darüber, dass sie seine Pläne durchkreuzt hatte, war längst verflogen, nachdem er die gute Neuigkeit über Rapp erfahren hatte. Rapps Frau hielt Gould unfreiwillig auf dem Laufenden, indem sie Freunde und Verwandte anrief, um ihnen in allen Einzelheiten zu berichten, dass Rapp sich einer Knieoperation unterziehen musste. Sie verriet auf diese Weise den genauen Zeitplan der Ereignisse – wann sie im Krankenhaus sein sollten und wann sie voraussichtlich wieder zu Hause sein würden. Gould hatte also mindestens sieben Stunden Zeit, um alles vorzubereiten.
In fast allen taktischen Dingen ließ Claudia Louie entscheiden. In diesem Fall gab es nur einen Punkt, den sie einwarf – sie wollte, dass er nicht auch die Frau tötete. Sie war nicht Teil dieses Auftrags. Gould hatte diesen Einwand erwartet, und das war auch der Grund, warum er Claudia die Tatsache vorenthalten hatte, dass Rapps Frau schwanger war. Er würde sich bemühen, die Frau aus dem Spiel zu lassen, aber er würde nicht so weit gehen, seine Pläne von diesem Detail durchkreuzen zu lassen. Er ließ sich jedoch nicht auf eine Diskussion mit Claudia ein, sondern versprach ihr, dass Rapps Frau nichts passieren würde.
Gould ergriff die Gelegenheit, um Claudia darauf hinzuweisen, dass sie unbedingt im Hotel bleiben sollte, bis ihr neues Morgenritual beendet war. Er konnte nicht riskieren, dass sie die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, indem sie sich alle halbe Stunde übergab. Claudia war einverstanden. Sie würde im Hotel bleiben, die Position von Annas Wagen verfolgen und auf neue Informationen warten, die sie vielleicht mithilfe ihrer Lauschgeräte hereinbekamen. Nachdem der Plan feststand, packten sie ihre Sachen. Gould würde noch vor Sonnenaufgang mit dem Pick-up aufbrechen, und Claudia würde das Hotel gegen Mittag verlassen, solange Annas Auto noch beim Krankenhaus stand.
Um 06:00 Uhr morgens fuhr Gould los und hielt bei einer Tankstelle auf halbem Weg zwischen dem Hotel und Rapps Haus an. Er war mit Jeans, Flanellhemd, braunen Arbeitsschuhen und einer Baseballmütze bekleidet. Nachdem er sich drei Tage nicht rasiert hatte, war er nicht mehr weit von einem Vollbart entfernt. Gould tankte den Wagen voll und füllte anschließend alle sechs Benzinkanister. Bei einer anderen Tankstelle ein paar Blocks weiter blieb er erneut stehen und ließ die Propangasbehälter füllen.
Er hatte bereits am Vorabend den Platz an der Straße ausgesucht, den er um genau 06:22 Uhr erreichte. Zuerst vergewisserte er sich, dass Riellys Wagen noch an seinem Platz stand. Er blickte in beide Richtungen des
Weitere Kostenlose Bücher