Der Feind
Knie ging. Er streckte die Hand aus, und das Tier kam zögernd näher. Der Hund beschnupperte ihn und entspannte sich, worauf Gould ihn am Hals kraulte.
»Bist kein so toller Wachhund, was?«
Der Hund, irgendein Collie-Mischling, wedelte nur mit dem Schwanz und sah Gould mit seinen großen braunen Augen an. Gould blickte sich um und fragte sich, ob das Tier wohl einem Nachbarn gehörte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Rapp einen so zahmen Hund haben könnte. Die Nachbarhäuser waren zu beiden Seiten mindestens sechzig Meter entfernt und durch Bäume und Büsche von Rapps Garten abgetrennt. Die Blätter hatten sich zwar schon teilweise verfärbt, waren aber noch nicht abgefallen. Gould sah nach, ob der Hund ein Halsband trug. Er hatte keines. Das Wichtigste ist, völlig normal zu wirken , sagte er sich. Falls ein Nachbar kommen sollte, war er hier, um einen Kostenvoranschlag für neue Dachrinnen zu erstellen.
Gould stand auf, um die Ausziehleiter von der Ladefläche zu holen. Er trug sie zu einer Seite des Hauses und legte sie auf den Boden. Sechs Schritte von der Garage entfernt stand ein großer silberfarbener Propangastank, der an drei Seiten von Thujen verdeckt war. Gould warf einen Blick auf die Anzeige und stellte fest, dass der Behälter zu mehr als zwei Dritteln voll war. Er nickte kurz und machte sich an die Arbeit. Nachdem er die Leiter an die Hausmauer gestellt hatte, ging er zum Wagen zurück und holte die Plastikfolie, das Messer und die Klebebänder. Während er auf das Dach kletterte, stand der Hund unten an der Leiter und sah ihm zu. Gould riss vier lange Streifen von dem Klebeband ab und heftete sie an den Bund seiner Jeans. Dann schnitt er ein großes Stück von der Plastikfolie ab und legte sie auf den Schornstein. Nachdem die Folie an allen vier Seiten befestigt war, fixierte er sie mit einem zusätzlichen Streifen Klebeband rings um den Schornstein, um das Ganze abzudichten. Wenige Minuten später hatte er auch die beiden Dachentlüfter versiegelt.
Nachdem er die Arbeit auf dem Dach erledigt hatte, begab er sich an die Hinterseite des Hauses. Er hielt kurz inne und blickte auf die Bucht hinaus, wo er zwei Boote nicht weit vom Ufer entfernt sah. Wahrscheinlich Fischer, dachte er sich. Gould lehnte sich an das Geländer und sah zwei Boote am Pier liegen, ein Wasserskiboot und ein Fischerboot. Er trat an die gläserne Verandatür und warf einen Blick in die Küche. Hineinzugehen kam nicht infrage. Ein Kerl wie Rapp hatte sein Haus bestimmt mit allen möglichen Sicherheitsvorkehrungen ausgerüstet.
Gould vollendete seine Runde um das Haus und kehrte zum Ausgangspunkt zurück. Die Klimaanlage befand sich zwischen dem Propangastank und dem Haus. Gleich neben der Stelle, wo der Kühlschlauch ins Haus führte, befand sich die Belüftungsöffnung für das Heiz- und Kühlsystem. Die etwa fünfzehn mal fünfzehn Zentimeter große Abdeckung stand dachartig vom Haus ab, sodass unten eine Öffnung von sieben mal fünfzehn Zentimetern gebildet wurde. Gould ließ sich auf ein Knie nieder und entfernte mit einer Zange das Gitter hinter der Abdeckung. Danach holte er das Verlängerungskabel und den Funkempfänger, steckte diesen in eine außen liegende Steckdose und vergewisserte sich, dass er ausgeschaltet war. Der Hund folgte ihm, als er bis ans Ende der Zufahrt ging, von wo er die Fernbedienung auf das Haus richtete und einmal auf den Knopf drückte. Dann kehrte er zum Haus zurück und sah zu seiner Zufriedenheit, dass das Empfangsteil jetzt eingeschaltet war. Er schaltete es wieder aus und nahm das Verlängerungskabel zur Hand.
In der französischen Fremdenlegion hatte er so manches gelernt, unter anderem auch, wie man mit relativ geringem Aufwand Sprengmittel herstellen konnte. Gould schnitt die Steckdose des Kabels ab, entfernte die Isolierung und führte das Kabel durch die Belüftungsöffnung in der Hausmauer. Er hielt zweieinhalb Meter für angemessen und steckte den Stecker in das Empfangsteil. Nun wurde die Sache ein bisschen verzwickt. Gould rollte die beiden Hochdruckschläuche aus, führte sie durch die Belüftungsöffnung und klebte die Öffnung mit Plastikfolie zu. Nun blieb ihm nur noch eines zu tun. Er holte die beiden schweren Propangasbehälter aus dem Wagen, schloss die beiden Hochdruckschläuche an und öffnete die Ventile.
Der Hund kam zu ihm gelaufen und ließ einen schmutzigen Tennisball vor ihm auf den Boden fallen. Gould hob den Ball auf und warf ihn zur Straße hinunter.
Weitere Kostenlose Bücher