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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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waren, ließ Gould sie anhalten und setzte sich selbst ans Lenkrad. Er forderte Claudia auf, eine E-Mail an den Deutschen zu schicken und ihm zu sagen, dass der Auftrag erledigt war. An diesem Punkt fragte sie ihn nach Rapps Frau.
    Sie waren bis in die Nacht hinein gefahren. Gould wollte so weit wie möglich von Washington wegkommen. Sie waren nun mit dem dritten Mietwagen in ebenso vielen Tagen unterwegs, den sie jedes Mal mit einer anderen Kreditkarte bezahlt hatten. Es gab keine Spur, die irgendjemand hätte verfolgen können. Sie würden mitten im Herzen Amerikas untertauchen, für einen Monat, wenn es sein musste, und dann erst das Land verlassen. Zumindest war das der ursprüngliche Plan gewesen, aber jetzt, wo Claudia sich so seltsam benahm, fragte sich Gould, ob es nicht besser wäre, nach Süden zu fahren und sie aus dem Land zu bringen.
    Er blickte auf seine Uhr; es war sechs Minuten nach acht, und er hätte verdammt gern mit ihr geschlafen. Er starrte sein Spiegelbild an und sagte sich, dass es besser war, sich Sex im Moment aus dem Kopf zu schlagen. Bestimmt war die Schwangerschaft an allem schuld. Wenn sie ihre Hormone wieder unter Kontrolle hatte, würde alles wieder ins Lot kommen, dann wäre sie auch wieder sie selbst. Vielleicht würde sie sogar den Nervenkitzel vermissen, der mit ihrem Job verbunden war. Er wusste jedenfalls, dass es ihm so gehen würde.
    Gould verließ das Badezimmer und sah Claudia auf dem Bett sitzen, eine Schachtel Taschentücher auf dem Schoß. Ihre normalerweise so schönen mandelförmigen Augen sahen müde und verquollen aus. Gould schaltete den Fernseher aus. »Hör doch auf, dich zu quälen«, sagte er. »Was geschehen ist, ist nun mal geschehen.«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen. »Wie konnte es nur so weit kommen?«
    In Anbetracht ihres momentanen Zustands verzichtete er darauf, ihr einen Vorwurf zu machen, doch er sah deutlich, dass sie jede Disziplin abgelegt hatte, die für eine solche Operation notwendig war. »Liebling, wir haben viel zusammen durchgemacht. Das Entscheidende ist doch, dass wir das alles hinter uns lassen. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn es anders ausgegangen wäre, aber ich habe es dir ja gesagt … sie hat genau gewusst, mit wem sie verheiratet war. Mitch Rapp hat Hunderte, vielleicht sogar Tausende Menschen getötet. Was glaubst du, wie viele unschuldige Frauen und Kinder sterben mussten, damit er jemanden töten konnte, den die Vereinigten Staaten für einen Terroristen hielten?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie trotzig, »aber du weißt es auch nicht. Ich glaube, dass die Amerikaner in diesem scheußlichen Krieg noch sehr zurückhaltend vorgehen.«
    »Die Amerikaner haben sich das alles mit ihrer verdammten Arroganz selbst eingebrockt.«
    »Du solltest aufpassen, was du sagst«, erwiderte Claudia etwas lauter. »Du klingst schon wie meine Freunde von früher, die du so verachtest.«
    Die bloße Erwähnung der Möchtegern-Revolutionäre, mit denen sie studiert hatte, brachte sein Blut in Wallung. Doch er wusste, dass ein Schreiduell das Letzte war, was sie jetzt gebrauchen konnten. Am Ende würde noch jemand die Polizei rufen. Und so zwang er sich zur Beherrschung und sagte so ruhig, wie er es vermochte: »Es ist ein brutaler Krieg, in dem beide Seiten versuchen, sich moralisch zu rechtfertigen. Wir stehen einfach nur in der Mitte und profitieren davon.«
    »Eine tolle Art, sein Geld zu verdienen«, stieß sie kopfschüttelnd hervor.
    Es war klar zu erkennen, dass sie Abscheu empfand – ob gegen ihn oder gegen sich selbst, entzog sich seiner Einschätzung. »Claudia, es tut mir leid«, sagte er schließlich. Etwas in ihm hätte sie am liebsten angeschrien, sich doch der Polizei zu stellen, wenn ihr das alles wirklich so zuwider war – doch er wusste, dass das nichts gelöst hätte. Er senkte den Kopf und sagte, auch wenn er es nicht ehrlich meinte: »Es tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe.«
    Er schlüpfte in seine Jeans, streifte ein Sweatshirt über und griff nach dem Autoschlüssel, der auf dem Tisch lag.
    »Wo gehst du hin?«, fragte Claudia.
    »Ich weiß nicht genau.« Er nahm die Baseballmütze, die er gestern Abend noch gekauft hatte, und schlüpfte in seine Tennisschuhe.
    »Ich dachte, du willst weiterfahren?«
    Er hörte ein wenig Nervosität aus ihrer Stimme heraus, was ihm nur recht war. »Ich habe das Gefühl, dass dir meine Gegenwart im Moment zuwider ist.« Gould ging zur Tür und fügte hinzu:

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