Der Feind
absolut vernünftig, weil wir davon ausgehen mussten, dass es vielleicht notwendig sein könnte, unsere Spuren zu verwischen. Aber wie es aussieht, hat der Deutsche seine Sache so gut gemacht, dass wir uns deswegen keine Sorgen mehr zu machen brauchen.«
Rashid blickte an Tayyib vorbei zu der Verandatür am anderen Ende des Raumes hinüber, von wo man auf die Gartenanlage vor dem Haus hinunterblickte. Eine Kolonne von schwarzen Autos kam die Zufahrt herauf. Das musste Direktor Ross sein. Der Prinz freute sich schon sehr auf das Frühstück mit dem Amerikaner. »Lassen wir den Deutschen fürs Erste am Leben«, sagte er schließlich.
Tayyib akzeptierte die Anweisung mit einem Kopfnicken.
»Ich glaube, Direktor Ross ist da. Es wäre vielleicht besser, wenn du nach nebenan gehst.«
Tayyib verließ den Raum, und wenige Minuten später wurde Direktor Ross in die Bibliothek geleitet. Er war mit Jeans, Cowboystiefeln, Flanellhemd und Jeansjacke bekleidet. Der Prinz fand, dass er sich etwas übertrieben als schneidiger Cowboy in Szene setzte. Doch sein Äußeres war ein vernachlässigbares Ärgernis, verglichen mit dem Vergehen, sich von vier seiner Leute in die Bibliothek begleiten zu lassen. Rashid sah zuerst Ross an und warf dann den anderen Amerikanern einen verächtlichen Blick zu. Ross selbst und seine vier Begleiter mit ihrem tief verwurzelten amerikanischen Sinn für Gleichheit schienen Rashids Verärgerung überhaupt nicht zu bemerken – und so musste Rashids persönlicher Sekretär den vier Männern diskret signalisieren, dass sie hinausgehen sollten.
Schließlich schien es auch Ross zu dämmern, dass er sich in der Gegenwart eines Mannes von königlicher Herkunft befand und dass der Prinz die Gesellschaft von Leuten, die unter ihm standen, nicht schätzte. Doch anstatt sich zu entschuldigen, beschloss er, seinen Fehler durch besondere Freundlichkeit wettzumachen. »Prinz Muhammad, ich kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie sich Zeit für mich nehmen. Ich habe mich sehr auf unser Gespräch gefreut.«
»Ich auch«, antwortete Rashid freundlich. »Und ich danke Ihnen für Ihre Einladung. Ich wollte die Delegation eigentlich nicht begleiten.«
»Nun, das wäre sehr schade gewesen. Sie sind uns immer willkommen.«
Rashid war sich bewusst, dass es an diesem Punkt passend gewesen wäre, zu antworten, dass auch Ross stets in Saudi-Arabien willkommen war – doch die Wahrheit war nun einmal, dass das nicht der Fall war. »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte er stattdessen.
»Ich möchte Ihnen auch versichern, Prinz Rashid, dass ich mir bewusst bin, was für eine wichtige Rolle Sie in Ihrem Land spielen.« Ross hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Der König ist vielleicht das Herz von Saudi-Arabien, aber Sie sind die Seele des Landes.« Ross war sehr zufrieden mit sich. Er hatte lange an diesem Satz gearbeitet, um ihm die entsprechende dramatische Wirkung zu verleihen.
Rashid war einen Moment lang sprachlos. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, dass ihm ein Amerikaner nicht gönnerhaft, sondern mit ehrlichem Respekt gegenübertrat, und er fühlte sich wirklich geschmeichelt. Wenngleich er die Sache ganz genauso sah wie Ross, hatte er diesen Vergleich zwischen seinem Halbbruder und sich selbst doch keinem Menschen anvertraut. Es verging jedoch kein Tag, an dem er sich nicht als die Seele und das Fundament des saudischen Volkes betrachtete. Vielleicht war das, was er über den neuen Chef der amerikanischen Geheimdienste gehört hatte, doch falsch gewesen.
Rashid bat Ross mit einer höflichen Geste, sich zu setzen, während die Diener Kaffee einschenkten und sich dann lautlos entfernten. Er setzte sich dem Amerikaner gegenüber auf eine Couch. Ross gab etwas Milch und Zucker in seinen Kaffee und nahm einen Schluck.
»Oh … ihr Araber macht wirklich den besten Kaffee der Welt.«
Rashid lächelte und dachte bei sich: Das stimmt, aber warum verderben Sie ihn dann, indem Sie Milch und Zucker dazugeben? »Danke«, sagte er jedoch höflich.
»Darf ich ganz offen zu Ihnen sein, Prinz Muhammad?«
»Selbstverständlich«, antwortete Rashid und lehnte sich zurück.
»Der Anschlag vom elften September war für unsere beiden Länder ein sehr unglückliches Ereignis. Danach wurde manches vorschnelle Urteil gefällt.« Ross zögerte und fügte schließlich hinzu: »Es wurden einige Entscheidungen getroffen, die, offen gesagt, falsch und ungerecht waren.«
Rashid war schon unter normalen
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