Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
Vom Netzwerk:
betreten hatten. Und was all jene betraf, die nur indirekt am Geschehen teilhatten, wie etwa Leibwächter oder Ehefrauen, so mussten auch sie wissen, mit wem sie sich eingelassen hatten. Wäre es besser gewesen, wenn Rapps Frau überlebt hätte? Ja – aber Gould fand, dass er einen ehrlichen Versuch unternommen hatte, sie zu verschonen. Letztlich sollte es dann eben nicht sein. So gern er Claudia auch seinen Standpunkt erklärt hätte – Gould wusste, dass es im Moment sinnlos gewesen wäre. Er hatte sich immer schon Sorgen gemacht, dass sie mit der schmutzigen Seite des Geschäfts nicht klarkommen könnte, und hatte alles getan, um sie von diesen Dingen fernzuhalten. Sie hatte ihn nur einmal dabei gesehen, wie er jemanden tötete, und das war praktisch Notwehr gewesen.
    Es war Mitte der Neunzigerjahre gewesen, als sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Magnaten und Raubritter die Beute untereinander aufteilten und jeden töteten, der ihnen im Weg stand. Politiker, Journalisten und Konkurrenten – sie alle waren praktisch Freiwild. In diesem Umfeld konnte sich Gould beweisen, und er verdiente außerordentlich gut daran. Als er eines Tages einen Mann in seiner Hotelsuite ausgeschaltet hatte und durch die Lobby verschwinden wollte, griffen die verrückten russischen Leibwächter zu den Waffen und versuchten ihn aufzuhalten. Gould musste sich den Weg freischießen, und als er auf die Straße kam, erwartete ihn noch ein letzter Russe mit der Maschinenpistole im Anschlag. Der Mann war jedoch zum Glück kein guter Schütze, und die Kugeln pfiffen über Goulds Kopf hinweg. Gould drückte nur einmal ab und traf den Mann im Gesicht, sodass er direkt vor Claudia zu Boden ging, die am Steuer des Fluchtautos auf ihn wartete.
    Claudia hatte verstanden, dass ihm nichts anderes übrig geblieben war, als den Mann zu töten, wenn er nicht selbst getötet werden wollte. Sie hatten in jener Nacht sogar noch leidenschaftlichen Sex gehabt, aber in diesem Fall war alles anders. Gould nahm an, dass sie sich irgendwie mit Rapps Frau identifizierte, und er fragte sich, ob sie in Rapp wohl ihn selbst sah und so eine Nähe zwischen den beiden Paaren herstellte, die es in Wirklichkeit nicht gab. Wenn man neunzehn Stunden größtenteils schweigend im Auto nebeneinandersaß, kamen einem alle möglichen Gedanken.
    Sie erreichten die Grenze am Höhepunkt der morgendlichen Stoßzeit und kamen ohne Probleme durch den Zoll. Hätten sie umgekehrt von Mexiko in die USA einreisen wollen, hätte man sie möglicherweise genauer unter die Lupe genommen, aber nach Süden zu reisen, war recht einfach. Gould entspannte sich, und auch Claudia lächelte zum ersten Mal seit Tagen. Sie fuhren direkt nach Monterrey weiter, und Gould folgte den Schildern zum Flughafen, wo er den Minivan auf dem ziemlich vollen Parkplatz abstellte. Er öffnete das Fenster auf der Fahrerseite und ließ den Schlüssel stecken. Sie nahmen ihre Rucksäcke und traten ins Flughafengebäude ein. Gould kaufte zwei Tickets von Monterrey nach Mexiko City und weiter nach Zihuatanejo. Es blieben ihnen noch zwei Stunden bis zu ihrem Flug, und so setzten sie sich in ein Café mit Internet-Service. Gould hatte das Gefühl, dass er endlich durchatmen konnte und bestellte einen Margarita, während Claudia ihren Laptop einschaltete und ihre E-Mails durchsah.
    Gould genehmigte sich noch einen zweiten Drink und spürte schon ein wenig die Wirkung des Tequila, als er plötzlich spürte, dass etwas nicht stimmte. Er blickte zu Claudia hinüber, die das Gesicht in beiden Händen barg und den Kopf schüttelte.
    »Was ist denn los?«, fragte er.
    »Ich kann es einfach nicht glauben«, murmelte sie.
    »Was denn?«
    Sie drehte den Laptop so, dass er die E-Mail lesen konnte. »Das ist von dem Deutschen.«
    Gould las die Nachricht und verzog ungläubig das Gesicht. »Das ist doch Unsinn. ›Bringen Sie den Auftrag zu Ende oder schicken Sie das Geld zurück.‹ Wovon zum Teufel redet der Mann?«
    »Ich würde sagen, es ist ziemlich eindeutig.«
    »Der Auftrag ist ausgeführt«, betonte Gould mit leiser, aber eindringlicher Stimme.
    Claudia drehte den Laptop wieder zu sich herum, und ihre Finger tanzten über die Tasten. Nach wenigen Sekunden war sie auf der Homepage der Washington Post. Sie brauchte nicht lange, um das zu finden, was sie suchte. Sie drehte den Computer wieder zu ihm herum und zeigte auf die Schlagzeile, die da lautete: RAPP LEBT.
    Gould las es und sagte schließlich: »Das glaube ich

Weitere Kostenlose Bücher