Der Feind
nahm vor allem die Zahl der Spanisch sprechenden Männer immer mehr zu. Tayyib verstand deshalb nicht, warum sie in den beiden Jahren, die er mit dem Programm zu tun hatte, keinen einzigen Hispano-Amerikaner rekrutiert hatten. Der Mitarbeiter erklärte ihm, dass diese Leute überwiegend katholisch waren und dass sie gut organisiert und extrem gewalttätig seien. Er nannte zwei Fälle, in denen afroamerikanische Moslems zu Tode geprügelt worden waren, weil sie versucht hatten, Mitglieder von MS-13 zu bekehren. Tayyib informierte sich näher über diese Gruppe und erfuhr so, dass das FBI sie mittlerweile als größte Bedrohung im Bereich des organisierten Verbrechens betrachtete. Die Gruppe stammte ursprünglich aus El Salvador und hatte sich allmählich wie ein Krebsgeschwür über ganz Amerika ausgebreitet. Abgesehen von New York City war die Gruppe am stärksten in Washington präsent.
Der schwierigste Teil war gewesen, mit den Leuten Kontakt aufzunehmen. Wie die meisten Banden hatten sie eine inoffizielle Uniform. Sie tendierten zu T-Shirts in den Farben blau und weiß, wie die salvadorianische Fahne, und ihre Lieblingszahlen waren 13, 67 und 76. Sie trugen große Tätowierungen und hatten kurz geschnittenes Haar. Tayyib fand heraus, dass sie in Alexandria und Fairfax, Virginia, stark vertreten waren. Nachdem die Zeit drängte, war er gezwungen, ein gewisses Risiko einzugehen. Er fuhr bei Tag in eine besonders berüchtigte Gegend von Alexandria und sah zwei junge Männer vor einer Autowerkstätte stehen. Der eine trug ein North-Carolina-T-Shirt, der andere eines von der University of Michigan. Die Nummern auf den T-Shirts passten ebenso zu der Gruppe wie das kurz geschnittene Haar und die Tattoos. Tayyib hielt bei den beiden Männern an, blieb jedoch im Auto sitzen. Er reichte ihnen einen Umschlag, der 10000 Dollar, eine Nachricht und eine Telefonnummer enthielt. Tayyib teilte den beiden mit, dass sie das Päckchen ihrem Boss übergeben sollten. Es dauerte keine Stunde, bis er einen Anruf bekam, worauf er sich persönlich mit dem hiesigen Bandenchef traf. Noch mehr Geld wechselte den Besitzer, ein Geschäft wurde vereinbart und Tayyibs ehemaliger Mitarbeiter wurde am nächsten Tag tot in seiner Zelle aufgefunden. Als Tayyib sich wieder mit dem Mann traf, um ihm den Rest des Geldes zu übergeben, machte er deutlich, dass er seine Dienste eines Tages wieder benötigen könnte, und fragte ihn, wie er ihn am besten erreichen könne. Der Mann gab ihm ohne Umschweife einen Namen und eine Telefonnummer.
Tayyib befand sich nun wieder in diesem Stadtviertel, um sich mit Anibal Castillo zu treffen. Als Tayyib ihn vor ein paar Stunden angerufen hatte, ließ sich Castillo seine Nummer geben und rief von einem anderen Telefon aus zurück. Tayyib stellte seinen Wagen bei der Werkstatt ab und stieg aus. An der Hauswand lehnte eine alte Autositzbank, auf der zwei Männer saßen. Zwei andere standen daneben, jeder auf einer Seite. Das Haus war hellblau, weiß und silber gestrichen. Trotz der kühlen Abendluft trugen alle vier Shorts und ärmellose T-Shirts. Die Arme und der Hals waren mit Tattoos bedeckt. Tayyib war bewaffnet, doch er machte sich keine Illusionen darüber, wie es ausgehen würde, falls es zu einer Auseinandersetzung kam. Er war ganz allein gekommen. Tayyib holte den Aktenkoffer aus dem Kofferraum und trat in das Haus ein, ohne die vier Männer anzusehen.
In dem kleinen Warteraum hielten sich vier weitere Männer auf – etwas kräftigere Ausgaben der vier Jungen vor dem Haus. Jeder der Männer hatte eine Pistole im Hosenbund stecken, und einer trug außerdem eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf auf der Schulter. Die Luft roch säuerlich nach Schweiß und Zigarettenrauch. Tayyib zögerte kurz. Er war mit Jeans, einem weißen Hemd und einem blauen Blazer bekleidet. Seine Fünfundvierziger trug er in einem Halfter an der rechten Hüfte. Einer der Männer sah die Pistole und hielt die Hand auf, um sie entgegenzunehmen. Tayyib reichte ihm die Waffe. Es hätte keinen Sinn gehabt, sie behalten zu wollen. Ein weiterer Mann trat von hinten zu ihm und begann, ihn zu durchsuchen. Ein Mann, auf dessen Stirn die Aufschrift MS-13 prangte, nahm ihm den Aktenkoffer ab und forderte ihn mit einem Kopfnicken auf, ihm zu folgen. Sie gingen durch die Werkstatt, wo trotz der späten Stunde noch Autos repariert wurden.
Im hinteren Bereich der Werkstatt gelangten sie in einen kurzen Gang, der zu einer Toilette und der Hintertür
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