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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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zeigen. Er drehte sich einfach um und ging.

50
ALEXANDRIA, VIRGINIA
    Das Auto, ein schwarzer Infinity Q35, gehörte einem Freund eines Mitarbeiters der Botschaft. Es war ein bisschen klein für den groß gewachsenen Oberst, aber in Anbetracht der bevorstehenden Mission betrachtete es Tayyib als ideal. Der Wagen war in einem Parkhaus einige Blocks von dem Kino entfernt für ihn abgestellt worden. Tayyib und drei andere Mitarbeiter der Botschaft waren eine Viertelstunde vor Beginn ihres Films zum Kino gekommen und stellten sich an, um Karten, Popcorn und Erfrischungen zu kaufen. Als eine halbe Stunde des Films vorbei war, bekam Tayyib den Autoschlüssel und einen Zettel zugesteckt. Er stand auf, als müsse er auf die Toilette, und kam nicht mehr zurück.
    Die Regierungen der USA und Saudi-Arabiens hatten die inoffizielle Vereinbarung getroffen, dass sie einander nicht ausspionieren würden. Tayyib wusste so wie jeder andere erfahrene Geheimdienstoffizier, dass diese Vereinbarung wertlos war. Er befahl seinen Leuten, die Vertreter der amerikanischen Geheimdienste im Auge zu behalten, wenn sie Saudi-Arabien besuchten, und er ging davon aus, dass die Amerikaner es umgekehrt genauso machten, wenngleich Tayyib aus Erfahrung wusste, dass die Amerikaner viel mehr darauf bedacht waren, die saudi-arabische Königsfamilie nicht vor den Kopf zu stoßen, als die Saudis sich darum kümmerten, die Amerikaner nicht zu beleidigen.
    Bei dieser Operation stand sehr viel auf dem Spiel, deshalb fuhr Tayyib zuerst einmal eine Stunde durch die Gegend, um sicherzugehen, dass er nicht verfolgt wurde. Kurz vor zehn Uhr abends Uhr fuhr er schließlich zum vereinbarten Treffpunkt. Tayyib hatte mit dem Mann erst ein Mal zu tun gehabt, und er hatte seinen Auftrag tadellos ausgeführt. Es war eine Krisensituation gewesen, die Tayyib damals bewogen hatte, die Hilfe des Mannes in Anspruch zu nehmen. Ein saudischer Staatsbürger war in Virginia festgenommen worden, weil man ihm vorwarf, Heroin im Wert von zehn Millionen Dollar importiert zu haben. Er war inhaftiert und wartete auf seinen Prozess, als Tayyib erfuhr, dass der Mann im Begriff war, ein Geschäft mit dem Staatsanwalt einzugehen. Er würde mit einer milden Strafe rechnen können, wenn er dafür Beweise vorlegte, dass der saudische Geheimdienst die Al-Kaida vor dem Anschlag vom elften September direkt unterstützt hatte. Anschuldigungen von Leuten, die im illegalen Drogengeschäft tätig waren, hatten normalerweise kein großes Gewicht, doch dieser Mann war einer von Tayyibs Offizieren gewesen. Er wusste viel zu viel und konnte großen Schaden anrichten, wenn er tatsächlich auspackte. Als Tayyib Prinz Muhammad bin Rashid von dem Problem berichtete, stellte der Prinz sofort klar, was zu tun war.
    Tayyib war immer schon ein sehr einfallsreicher Mensch gewesen, der nie zur Gewalttätigkeit geneigt hatte. Er war in Riad aufgewachsen, einer Stadt von rund drei Millionen Einwohnern, in der Verbrechen so selten waren wie Regen. Erst als Tayyib angefangen hatte, für den Geheimdienst zu arbeiten, wurde ihm klar, warum sich die Saudis so strikt an die Gesetze hielten. Das Rechtssystem in Saudi-Arabien war unglaublich streng. Die Polizei prügelte Verdächtige so lange, bis sie gestanden, Richter ließen kaum jemals Milde walten, und die Zustände in den Gefängnissen waren äußerst brutal.
    Die Gefängnisse waren sowohl in Saudi-Arabien als auch in den USA ziemlich gefährliche Orte, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. In Saudi-Arabien waren es die Wärter, die die Gefangenen zu fürchten hatten, während es in Amerika die Mithäftlinge waren. Tayyib wusste das so genau, weil er einmal bei einem streng geheimen Programm zur Rekrutierung von amerikanischen Häftlingen mitgearbeitet hatte. Jahrelang hatten moslemische Wohltätigkeitsorganisationen Mittel zur Verfügung gestellt, um amerikanische Gefängnisinsassen zum Übertritt zum Islam zu bewegen. Was die wenigsten wussten, war, dass Mitarbeiter des saudischen Geheimdienstes diese Leute im Auge behielten – in der Hoffnung, dass sie sich gegebenenfalls am Kampf beteiligen würden. Wenn diese Männer in die Freiheit entlassen wurden, brachte man sie dazu, die Moscheen zu besuchen, damit sie im rechten Wahabi-Glauben ausgebildet wurden.
    Bei einem Treffen mit einem Mitarbeiter einer moslemischen Wohltätigkeitsorganisation hörte Tayyib zum ersten Mal von einer Gruppe namens Mara Salvatrucha oder MS-13. Bei den amerikanischen Häftlingen

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