Der Feind
dem Haus?«
»Heute Nachmittag wird ein neues Tor eingebaut, und rund um das Haus stehen schon die Gerüste. Die Einschusslöcher werden durch Sandstrahlen entfernt, und die Türen und Fenster werden ausgetauscht. Bis heute Abend werden alle Spuren verschwunden sein.«
»Und die Leichen?«
»Werden eingeäschert.«
»Und was ist mit meinem Gefangenen?«, fragte Rapp.
»Dr. Hornig bearbeitet ihn gerade.«
Rapp überlegte einige Augenblicke. Die Agency hatte zwei herausragende Verhörspezialisten, die völlig unterschiedliche Methoden anwandten – Dr. Jane Hornig und Bobby Akram, ein aus Pakistan stammender Moslem. Hornig hatte Biochemie und Neurologie studiert und galt als landesweit führende Expertin, was die Geschichte und die Entwicklung der Folter betraf. Sie setzte ausgefallene Techniken sowie Drogen verschiedenster Art für ihre Befragungen ein. Bobby Akram hingegen zermürbte den Gefangenen auf subtilere Weise, indem er ihn von der Außenwelt isolierte und ihm kaum noch Sinnesreize bot, bis der Betreffende froh war, sich mit dem Vernehmungsspezialisten unterhalten zu können. Rapp mochte Akram, doch Hornig war ihm einfach nicht geheuer. Die Frau machte ihm irgendwie Angst, doch wenn die Zeit knapp war, gab es niemanden, der bessere Ergebnisse vorweisen konnte als sie.
»Hat sie schon herausgefunden, wer ihn angeheuert hat?«
»Noch nicht, aber wir haben eine interessante Verbindung entdeckt. Vor zwei Jahren hat die DEA einen saudischen Einwanderer festgenommen, der über seine Kontakte in Afghanistan Heroin importiert hat. Es hat sich herausgestellt, dass der Kerl einmal für den saudischen Geheimdienst gearbeitet hat. Als er im Gefängnis saß, wollte sein Anwalt eine Vereinbarung zwischen ihm und dem Staatsanwalt in die Wege leiten. Der Anwalt meinte, dass sein Mandant Beweise liefern könne, dass sein früherer Arbeitgeber einige der Terroristen vom elften September ausgebildet hat und auch bei den Planungen zu dem Anschlag mitgeholfen hat.«
Rapp runzelte die Stirn. »Was hat das mit dem Kerl zu tun, den ich gestern Abend geschnappt habe?«
»Castillo, so heißt der Mann übrigens. Anibal Castillo. Er sagt aus, dass damals derselbe Mann, der ihn vor zwei Tagen angeheuert hat, um dich zu töten, zu ihm gekommen wäre. Er zahlte Castillo hunderttausend Dollar, damit die MS-13 diesen ehemaligen Mitarbeiter des saudischen Geheimdienstes im Gefängnis tötet. Ich habe mich ein wenig erkundigt, und es passt alles zusammen. Dieser Saudi war tatsächlich bereit auszusagen, aber an dem Tag, als er die Vereinbarung unterzeichnen sollte, wurde er in seiner Zelle getötet.«
»Wer hat ihn angeheuert?«
»Das wissen wir noch nicht, aber wir lassen Castillo unsere Datenbank von saudischen Geheimdienstoffizieren durchsehen.«
Das Flugzeug kam zum Stillstand. »Hör mal, ich muss jetzt los«, sagte Rapp. »Ruf mich an, sobald du es weißt.«
»Willst du mir verraten, was du vorhast?«
»Das willst du nicht wirklich wissen«, antwortete Rapp und blickte aus dem kleinen Fenster.
»Doch, Mitchell. Ich habe gerade meinen Chef und den Präsidenten belogen, um dich zu schützen.«
»Ich dachte, der Präsident wäre mit an Bord.«
»Na gut … dann eben Ross.«
»Ja, also … sag Ross, dass ich ihn mir vorknöpfe, wenn er dich nicht in Ruhe lässt.«
Irene Kennedy war versucht, das Angebot in Anspruch zu nehmen. »Ich habe noch eine Sache für dich.« Sie hielt kurz inne und sagte schließlich: »Hast du schon einmal von einem gewissen Erich Abel gehört?«
Rapp dachte kurz nach. »Nein. Warum?«
»Der Mann ist in der DDR aufgewachsen. Er hat in den Achtzigerjahren und den frühen Neunzigerjahren für die Stasi gearbeitet.«
»Tritt er auch unter irgendwelchen anderen Namen in Erscheinung?«
»Nicht dass ich wüsste, aber ich werde das überprüfen.«
»Warum das plötzliche Interesse an dem Kerl?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich rufe dich an, sobald ich mehr weiß.«
»Gut, ich muss jetzt los.« Rapp beendete das Gespräch, warf das Telefon auf den Ledersitz und stand auf.
Coleman war schon ausgestiegen und kümmerte sich um das Nachtanken. Rapp stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Seine Beine schmerzten nach dem langen Flug. Mit steifen Schritten ging er über das Rollfeld, wo er von Jamal Urda erwartet wurde. Urda war der Stationschef der CIA in Kabul. Er hatte im vergangenen Frühling in einer heiklen Angelegenheit mit Rapp zusammengearbeitet, und wenngleich sie es zuerst nicht ganz
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