Der Feind
einfach miteinander hatten, hegte Urda doch großen Respekt für Rapp. Urda streckte ihm die Hand entgegen. »Mitch, es tut mir sehr leid«, sagte er aufrichtig.
»Danke«, antwortete Rapp und schüttelte ihm die Hand.
Die beiden Männer standen einige Augenblicke in der Kälte, während Urda überlegte, wie er vom Persönlichen zur Arbeit überleiten sollte. Er war erleichtert, dass Rapp zuerst das Wort ergriff.
»Wie ist die Situation?«
»Mein Stellvertreter hat gerade aus der Botschaft angerufen.«
»Ja?«
»Er sagt, wir haben eine Mitteilung aus Langley bekommen. Wir sollen es sofort melden, wenn irgendjemand von uns mit dir in Kontakt kommt.«
Rapp nickte.
»Dann hat mich Irene angerufen und gesagt, dass wir die Mitteilung ignorieren sollen.«
Rapp wusste, dass Urda es nicht so gern hatte, wenn jemand in sein Territorium eindrang, doch er hatte gehofft, dass es diesmal keine Unstimmigkeiten geben würde. Er wollte einfach nur hier landen, alles abholen, was er für sein Vorhaben brauchte, und wieder verschwinden. »Und – hast du ein Problem damit?«
»Nein«, antwortete Urda und blickte zu dem Geländewagen zurück, in dem zwei Leute saßen. »Also, ich mag meine Exfrau nicht einmal mehr besonders gern«, fügte er hinzu, »aber wenn irgend so ein Kerl sie töten würde, dann müsste er dafür büßen.« Urda zeigte auf den Boden hinunter. »Bleib hier, ich hole ihn.«
Urda kam einige Augenblicke später mit einem gefesselten Mann zurück, der eine Kapuze über dem Kopf hatte. »Ich habe ihn ein bisschen waschen lassen. Ich glaube, er hat nicht besonders gut gerochen.«
Rapp winkte Wicker zu sich und übergab ihm den Mann. »Bring ihn in die Maschine.« Er wandte sich wieder Urda zu, um ihm zu danken. »Ich weiß es zu schätzen, dass du das für mich tust.«
»Ich weiß, dass du das Gleiche für mich tun würdest.«
Rapp nickte.
Urda wollte schon weggehen, blieb dann aber noch einmal stehen. »Was mich betrifft, bist du nie hier gewesen.«
»Gut.« Rapp nahm sich einige Augenblicke für ein paar Dehnungsübungen und stieg dann wieder ins Flugzeug ein. Er ging zu seinem Gefangenen, zog ihm die Kapuze vom Kopf und betrachtete sein Gesicht. Er war es tatsächlich. Ein wenig dünner wohl, aber er war es.
Der Mann blinzelte kurz, um sich nach der völligen Dunkelheit an das schwache Licht der Kabine zu gewöhnen. Als er Rapp sah, verzerrte sich sein Gesicht vor Angst. »Was willst du von mir?«
»Nichts«, log Rapp. Wahid hatte zusammen mit einigen anderen einen Terroranschlag vorgehabt, bei dem Atomsprengköpfe in New York und Washington gezündet werden sollten. Rapp hatte ihn in Pakistan geschnappt und ihn persönlich verhört.
»Das glaube ich nicht.«
»Dein Vater ist ein sehr einflussreicher Mann. Er hat deine Freilassung erwirkt.« In gewisser Weise sagte Rapp sogar die Wahrheit. Wahids Vater war tatsächlich ein mächtiger Mann in seinem Land. Er hatte einen Preis auf Rapps Kopf ausgesetzt, was in gewisser Weise tatsächlich dazu geführt hatte, dass sein Sohn aus dem Loch von einem Gefängnis herauskam, in dem er gesteckt hatte. Rapp würde ihm jedoch nicht verraten, dass sein Vater ihn für tot hielt.
»Du kannst dich entspannen«, sagte er zu dem Saudi und zog ihm die Kapuze wieder über den Kopf. »Wenn du dich gut benimmst, siehst du deinen Vater morgen wieder.« Rapp zog eine Spritze aus der Jackentasche und griff nach Wahids gefesselten Handgelenken. »Ich muss dir ein Beruhigungsmittel geben. Wenn du aufwachst, sind wir schon in Saudi-Arabien.« Rapp steckte seinem Gefangenen die Nadel in den Oberschenkel und drückte den Kolben der Spritze hinunter.
62
ZIHUATANEJO, MEXIKO
Claudia saß vor ihrem Laptop und fragte sich, ob sie den Verstand verloren hatte. Eine E-Mail zu verschicken war schon schlimm genug gewesen, doch dass sie es nicht dabei bewenden ließ und auch noch eine zweite und dritte Nachricht schrieb, war sträflicher Leichtsinn. Und nun verfasste sie schon ihre vierte Botschaft an die Direktorin der Central Intelligence Agency. Ihre reuige Haltung stand in heftigem Konflikt mit ihrer taktischen Ausbildung, und bis jetzt setzte sich die Reue durch. Dabei vergaß sie jedoch nicht die üblichen Vorsichtsmaßnahmen; sie wechselte jedes Mal den Server und schickte ihre Nachrichten stets von unterschiedlichen Locations aus ab, doch sie hatte es immerhin mit der Chefin der mächtigsten Spionagebehörde der Welt zu tun. Man konnte nicht wissen, welche Tricks die Frau im
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