Der Feind
zweiundzwanzig Millionen Dollar von einem Schweizer Konto, dessen Inhaber Saeed Ahmed Abdullah war, auf fünf verschiedene Schweizer Konten überwiesen worden, deren Inhaber Erich Abel war. Kennedy hatte also ihren Beweis gefunden.
»Wer ist dieser Abel?«, wollte Rapp wissen.
»Ich weiß noch nicht viel mehr, als ich dir gestern gesagt habe. Ich erwarte aber in etwa einer Stunde neue Informationen.«
»Irgendeine Ahnung, wo er steckt?«
»Nein, aber wir überwachen seine Wohnung in Wien und verfolgen seine Kreditkarten.«
Rapp blickte durch die Windschutzscheibe auf die karge Landschaft hinaus. »Das kommt mir irgendwie komisch vor, Irene.«
»Was genau?«
»Die E-Mails, die du bekommen hast … irgendwie passt das nicht zusammen. Leute in diesem Geschäft entwickeln nicht plötzlich über Nacht ein Gewissen. Ich glaube, es ist so, wie Scott gesagt hat.« Rapp hatte auf dem Flug von Washington nach Afghanistan mit Coleman über die mysteriösen E-Mails diskutiert. »Diese Kerle haben alle gedacht, ich wäre tot. Sie bekamen das restliche Honorar, und dann wurde plötzlich bekannt, dass ich noch lebe. Saeed wollte natürlich sein Geld zurück, und das dürfte er diesem Abel ziemlich unverblümt mitgeteilt haben. Und Abel wiederum hat dasselbe zum Killer gesagt. Aber anstatt das Geld zurückzugeben, verpfeift der Killer Abel, in der Hoffnung, dass ich ihn töte und er das Geld behalten kann.«
»Das klingt durchaus logisch, aber es gibt da ein paar Dinge, die ich dir noch nicht gesagt habe.«
»Was zum Beispiel?«
»Ich habe gestern Abend eine vierte E-Mail bekommen. Sie war ziemlich lang, und ich habe daraus einiges erfahren.«
Rapp blickte kurz zurück, um zu sehen, wie es Wahid ging. »Ich höre«, sagte er ins Telefon.
»Abel hat für den Job zwei Leute angeheuert.«
Rapp nickte. »Keine große Überraschung.«
»Nun … was ich dir jetzt sage, wird dich aber überraschen«, sagte Kennedy seufzend. »Heute früh hat die eine Hälfte des Duos fünf Millionen Dollar auf ein Schweizer Konto überwiesen, das auf deinen Namen eröffnet wurde.«
Rapp glaubte sich verhört zu haben. »Sag das noch mal.«
»Die eine Hälfte des Teams, das von Abel angeheuert wurde, hat fünf Millionen Dollar auf ein Schweizer Konto überwiesen, das diese Person auf deinen Namen eröffnet hat.«
»Warum?«, fragte Rapp entgeistert.
»Das ist ein bisschen kompliziert, aber ich werde versuchen, es in einer Kurzfassung zu erzählen. Das Team, das den Auftrag übernommen hat, dich zu töten, bekam Streit. Die eine Person hatte den Auftrag von Anfang an nicht übernehmen wollen – wie man sich denken kann, ist das jene, die mit mir Kontakt aufgenommen hat. Als Anna dann versehentlich getötet wurde, kam es zu einem heftigen Streit zwischen den beiden, und sie trennten sich.«
»Aber wie erklärt das die fünf Millionen?«
Kennedy seufzte. »Die Frau ist schwanger.«
»Die Frau?«, erwiderte Rapp verwirrt. Er war sich sicher gewesen, dass sie von zwei Männern sprach.
»Ja, eine Frau. Sie ist schwanger und weiß auch, dass Anna schwanger war. Sie hat starke Schuldgefühle, weil sie bei der Sache mitgemacht hat.«
Rapp hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Er suchte in seiner Erinnerung nach irgendetwas, von dem er wusste, dass es wichtig war. Durch seinen bösen Sturz bei der Explosion waren bestimmte Erinnerungen an die Ereignisse vor dem Attentat ein wenig durcheinandergeraten.
»Sie ist eine Frau«, sagte Rapp mehr zu sich selbst als zu Irene.
»Ja«, antwortete sie. »Männer werden selten schwanger.«
»Und ihr Partner ist ein Mann«, fügte Rapp hinzu, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.
»Das nehme ich mal an«, antwortete sie seufzend. »Und möglicherweise der Vater des Kindes.«
Plötzlich sah er die Szene wieder vor sich. »Ich habe sie gesehen«, murmelte er.
»Was?«
»Ich habe sie am Tag vor meiner Knieoperation auf der Straße gesehen. Ich kam gerade vom Laufen zurück, und da sah ich sie nicht weit von meinem Haus entfernt.« Rapp hatte nun ein deutliches Bild der beiden vor Augen. Er erinnerte sich nun auch daran, dass ihn der Mann schon damals ein wenig beunruhigt hatte. Er hatte diesen schlanken, athletischen Körperbau, wie er auch für Soldaten der Sondereinsatzkräfte so typisch war. Kennedy sagte irgendetwas, doch Rapp hörte gar nicht mehr zu. Er konzentrierte sich ganz darauf, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was damals geschehen war. Der Mann hatte irgendetwas zu ihm gesagt. Rapp hatte
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