Der Feind
sie auch persönlich äußerst unsympathisch fand, dass sie den Angriff auf sein System angeordert hatte, und versicherte ihm, dass sie jeden Tag eine neue Attacke starten würden. Falls er sich weiter weigern sollte, die gewünschten Informationen herauszugeben, würde sie nicht zögern, ihn aus dem Geschäft zu katapultieren. Der Mann gab schließlich nach.
Der vierte Banker gab das Material so bereitwillig heraus, dass Kennedy vermutete, dass er bereits mit einem der anderen Banker gesprochen hatte, mit denen sie sich unterhalten hatte. Der fünfte und letzte Bankdirektor leistete zuerst ein wenig Widerstand und wies darauf hin, dass er seinen Kunden gegenüber verpflichtet sei, ihre Daten vertraulich zu behandeln. Es handle sich um das Gleiche wie eine Beziehung zwischen Arzt und Patient oder zwischen Anwalt und Klient. Kennedy hörte ihm höflich zu und reichte dem Mann dann ein Blatt Papier. Darauf war eine Überweisung seiner Bank an eine Bank auf den Bahamas verzeichnet, bei der eine Million Dollar transferiert wurde. Der Mann blieb standhaft und erwiderte, dass er schon aus Prinzip nicht verraten könne, wer hinter der Überweisung stünde.
Kennedy nickte und wies darauf hin, dass der größte Anleger der Bank zufällig auch ein enger Freund von Präsident Hayes sei. Der Banker wollte wissen, wie sie zu dieser Information gekommen sei, doch sie ging nicht einmal auf die Frage ein. Sie versicherte dem Mann nur, dass es in seinem Interesse sei, alle gewünschten Informationen rauszurücken – andernfalls würde der Präsident noch heute seinen Freund anrufen und ihm mitteilen, dass seine Bank Terroristen decke. Der Präsident würde seinem Freund versichern, dass er und das ganze Land ihm dankbar wären, wenn er sich nach einer anderen Bank umsehen würde. Kennedy konfrontierte den Mann mit einigen weiteren Namen von Anlegern, die ebenfalls Anrufe des Präsidenten erhalten würden. Der Banker warf daraufhin im Rekordtempo seine Prinzipien über Bord. Fünf Minuten später hielt Irene Kennedy ein Fax in den Händen, das alles enthielt, was sie wissen wollte.
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RIAD, SAUDI-ARABIEN
Das blaue Digitaldisplay am Rückspiegel zeigte an, dass die Außentemperatur achtunddreißig Grad betrug. Der weiße Van ohne Seitenfenster war ein eher unauffälliges Fahrzeug, genau wie Rapp es wollte. Hinten im Wagen lag Wahid Abdullah gefesselt, geknebelt und mit einer Kapuze über dem Kopf. Bis jetzt hatte Rapp den Mann recht pfleglich behandelt, was ihm angesichts der Verbrechen, die der Mann begangen hatte, und der Rolle, die sein Vater wahrscheinlich bei der Ermordung von Anna Rielly gespielt hatte, nicht leichtfiel. Es war Irene Kennedy gewesen, die das Wort »wahrscheinlich« hinzugefügt hatte. Sie wollte erst nachprüfen, ob Saeed Ahmed Abdullah wirklich für die Tat verantwortlich war, oder ob er bloß damit prahlte. Rapp hingegen brauchte keinen weiteren Beweis. Er machte sich vielmehr Vorwürfe, dass er nicht sofort, nachdem er von dem geplanten Attentat auf ihn gehört hatte, nach Saudi-Arabien geflogen war und Saeed Ahmed Abdullah getötet hatte. Doch er hatte die Information fälschlicherweise als typisch arabische Prahlerei abgetan.
Rückblickend betrachtet war es gut, dass er den Sohn des Mannes vor einem halben Jahr am Leben gelassen hatte. Wahid hatte ihm immerhin wichtige Informationen preisgegeben, mit deren Hilfe er den geplanten Atomschlag auf New York und Washington vereiteln konnte. Anstatt den Saudi zu exekutieren, steckte er ihn in ein Gefängnis der Nordallianz – mit dem Hintergedanken, dass der Mann vielleicht mit der Zeit seine extremen Ansichten ablegen würde und in zehn Jahren freigelassen werden konnte. Der saudiarabischen Regierung sagte man jedoch aus gutem Grund, dass Wahid tot war. Wahids Vater hatte einfach zu großen Einfluss und zu viel Geld. Wenn er erfuhr, dass sein Sohn am Leben war, würde er alles tun, um ihn freizubekommen. Was Rapp damals nicht erkannt hatte, war, dass der Vater nach Rache streben würde. Er hatte angenommen, dass der Vater seinem Sohn die Schuld geben würde, dass er sich mit der Al-Kaida eingelassen und an einem Plan mitgewirkt hatte, der die Ermordung von Millionen unschuldiger Zivilisten vorsah. Doch er hatte sich geirrt; der Vater war ein eingefleischter Wahabi und überzeugter Anhänger des Dschihad. Irene Kennedy mochte ruhig nach Beweisen suchen, doch für Rapp änderte das absolut nichts. Er konnte Anna nicht wieder lebendig machen, aber er würde
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