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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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auf der Welt war heute schon an jeder Ecke mit Sicherheitskameras ausgestattet. Wenn man in diesem Gewerbe überleben wollte, musste man sich anpassen. Sie war eher dafür, sich aus der Branche zurückzuziehen, doch für den Ruhestand waren sie beide noch zu jung. Harry war zweiunddreißig und Amanda gar erst dreißig Jahre alt. Amanda war nicht ihr richtiger Name, doch um der Sicherheit der Operation willen hatte er in der vergangenen Woche nur diesen Namen verwendet. Die kleinen Details waren es, auf die es letztendlich ankam – gut gefälschte Papiere und die Disziplin, seine Tarnung beizubehalten, ob man allein war oder nicht.
    Sie würden noch etwa fünf Jahre aktiv bleiben müssen, um jenes finanzielle Niveau zu erreichen, das ihm angemessen erschien, um sich zur Ruhe zu setzen. Sie hatten bereits einige Millionen verdient, aber es genügte ihm nicht, gerade eben auszukommen. Er hatte sich für dieses Gewerbe entschieden, weil er sich dazu hingezogen fühlte, weil er es schätzte, sein eigener Chef zu sein, und weil er, wenn er es clever anstellte, einen Haufen Geld verdienen konnte. Er hatte das nötige Talent dafür, aber Talent allein war nicht genug. Wenn es um so viel ging, musste man außerdem stets nach absoluter Perfektion streben.
    Hinzu kam noch, dass ihm die Arbeit Spaß machte. Ja, sie bereitete ihm tatsächlich Vergnügen – eine Tatsache, die er noch niemandem, nicht einmal seiner Partnerin, anvertraut hatte. Wenn sie darüber sprachen, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, argumentierte er stets damit, dass sie vorher noch mehr verdienen mussten – aber er wusste, dass es ihm im Moment auch schwergefallen wäre, loszulassen. Seine größte Angst war nicht, dass er geschnappt werden könnte – dazu hatte er zu großes Vertrauen in seine Fähigkeiten. Seine größte Angst war, dass er sie eines Tages verlieren könnte, weil er nicht bereit war, die Arbeit aufzugeben. So wie ein Spieler, der nicht vom Spieltisch loskam, war er von dem Nervenkitzel abhängig, den ihm die Jagd auf einen Menschen verschaffte.
    Wenn man einmal vom gegenwärtigen Auftrag absah, erlebte er jedes Mal ein unvergleichliches Hochgefühl, wenn er hinter jemandem her war. Um auf diesem Niveau zu arbeiten, war jedoch jede Menge Training und Erfahrung notwendig. Harry war ein Meisterschütze, und zwar mit der Pistole ebenso wie mit dem Gewehr. Er wusste genau, wo er mit dem Messer zustoßen musste, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, das für gewöhnlich der Tod der Zielperson war, wenngleich es bei manchen Aufträgen auch darum ging, den Betreffenden schwer zu verletzen, und nicht mehr. Harry wusste, wie er seine Fäuste, Ellbogen, Knie, Füße und sogar seine Stirn einsetzen musste, um jemanden außer Gefecht zu setzen oder gar zu töten. Er konnte ein Flugzeug ebenso fliegen wie einen Hubschrauber, und er war ein wahres Genie, wenn es darum ging, jemanden zu überwachen.
    Doch nun beobachtete er das Hampshire Hotel von der anderen Seite des Platzes aus und langweilte sich zu Tode. Er war vielleicht noch eine Stunde davon entfernt, einen 200000-Dollar-Auftrag auszuführen, und er gähnte vor Langeweile. Er betrachtete die Eingangstür des luxuriösen Hotels und unterdrückte ein weiteres Gähnen. »Komm schon, du Arsch«, murmelte er, »bringen wir die Sache hinter uns.«
    Er sprach mit britischem Akzent, auch wenn er kein britischer Staatsbürger war. Der »Arsch«, von dem er sprach, reiste gern und schien kein Problem damit zu haben, Geld auszugeben. Womit er jedoch offenbar Probleme hatte, war, seine Rechnungen zu bezahlen, was wohl auch der Grund war, warum ihn jemand ausschalten wollte. Für einen Menschen, der die falschen Leute verärgert hatte, verhielt er sich erstaunlich ruhig. Vor allem, wenn man bedachte, dass die Leute, die er beleidigt hatte, russische Mafiosi waren. Der Killer hatte in den vergangenen Jahren sehr an seinem Russisch gearbeitet, was ihn weitaus mehr Mühe gekostet hatte als das Erlernen der vier anderen Sprachen, die er fließend sprach. Er operierte nicht gern in der ehemaligen Sowjetunion, aber der frühere Ostblock war nun einmal der am stärksten wachsende Markt in diesem Metier. Sie waren rücksichtslose Kerle, die nicht zögerten, jemanden zu ermorden, der sie übers Ohr gehauen hatte – egal, wie legal oder illegal das betreffende Geschäft gewesen sein mochte. Sie wollten für ihre Investitionen einen Gewinn einstreichen, und wenn sich eine Sache nicht so entwickelte, wie sie

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