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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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selbst stellte allerdings ein kleines Problem dar. Für gewöhnlich hielt sich stets der eine oder andere Bobby dort auf, außerdem war in der Nähe der Stelle, wo er zuschlagen würde, eine besonders lästige Kamera montiert. Er war gut genug verkleidet, dass sein Gesicht ganz bestimmt nicht deutlich erfasst werden konnte, aber es war immerhin etwas, von dem die Ermittler ausgehen konnten. Außerdem wollte er vermeiden, dass die Tat selbst auf dem Bildmaterial zu sehen sein würde. Diejenigen, deren Aufgabe es war, Gewaltverbrechen aufzuklären, wurden von solchen Bildern in ihrer Arbeit beflügelt. Der Killer hatte am Vortag lange über das Problem nachgedacht, bis ihm schließlich eine Lösung einfiel.
    Er griff mit einer Hand zu dem winzigen kabellosen Motorola-Headset hinauf, das er am rechten Ohr befestigt hatte. Im nächsten Augenblick hörte er ihr Telefon klingeln.
    »Hier Amanda Poole«, meldete sich die Stimme mit britischem Akzent.
    »Amanda, ich gehe jetzt spazieren. Könntest du vorbeikommen und nachsehen, ob unser Freund zu mir kommt?«
    »Mach ich gern, Harry.«
    Der Killer bog um die Ecke, den Kopf stets tief gesenkt. Es gab in diesem Geschäft die Tendenz, die Operationen mit möglichst großem Aufwand durchzuführen. Dies war hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die meisten seiner Kollegen zuvor in einem Geheimdienst oder bei den Streitkräften gearbeitet hatten. In Harrys Fall traf Letzteres zu. Wenn man für eine mächtige Regierung arbeitete, verfügte man über umfangreiche Ressourcen. Die Ausrüstung, die man verwendete, war unter allen möglichen Bedingungen getestet. Vor allem wurden weltweit viele Milliarden Dollar in die Entwicklung neuer Kommunikations- und Verschlüsselungstechniken gesteckt. Harrys Ansicht nach lag das Problem jedoch darin, dass genauso viel oder noch mehr Geld für neue Lauschtechniken und Entschlüsselungssysteme aufgewendet wurde. Die amerikanische National Security Agency allein verfügte über Dutzende von Satelliten, die den Planeten umkreisten und nichts anderes taten als die Gespräche von Menschen zu belauschen. In ihrem Hauptquartier in Maryland hatten sie in riesigen Kellerräumen die mächtigsten Computer der Welt stehen.
    Diese Cray-Supercomputer liefen Tag und Nacht und analysierten E-Mails, Funkbotschaften und abgehörte Telefongespräche. Ausgeklügelte Programme wurden entwickelt, damit die Computer nach Schlüsselwörtern wie bomb, gun, kill oder assassinate suchten, und das in allen Sprachen, die in irgendeiner Weise relevant waren. Material aus bestimmten Gegenden wurde bevorzugt behandelt; so war für Amerika alles, was aus dem Iran, aus Nordkorea, dem Irak, Afghanistan oder Pakistan kam, von besonderem Interesse. Die Programme zur Entschlüsselung orientierten sich stets an den Methoden derer, die Geheimnisse zu verbergen versuchten.
    Bei alldem stellte sich für Harry eine einfache Frage. Wenn es den Supermächten mit ihren nahezu unbegrenzten Mitteln nicht gelang, ihre Geheimnisse voreinander zu verbergen, wie sollten es dann zwei Personen, die eine geheime Operation durchführten, schaffen, einen technologischen Vorsprung vor jenen herauszuholen, die über viele Milliarden verfügten? Die Antwort auf diese Frage war leicht. So etwas war einfach nicht zu schaffen – deshalb musste man sich in die andere Richtung bewegen. Die Geheimdienste dieser Welt kümmerten sich nicht um belanglose Gespräche von Geschäftspartnern oder Liebespaaren. Der Trick bestand darin, nicht aufzufallen. Man musste so miteinander sprechen, wie es die überwältigende Mehrheit der Menschen tat, und durfte das, worum es einem wirklich ging, mit keinem Wort erwähnen. Dementsprechend hatten sie, als sie nach London kamen, als Erstes neue Handys gekauft. Sie unterschrieben Verträge für ein Jahr, obwohl die Geräte höchstens eine Woche in Verwendung sein würden.
    Harry schritt rasch, aber gleichmäßig die St. Martin’s Street hinunter und bog dann in die Whitcomb Street ab. Einige Minuten später ging er am nördlichen Ende des Parks entlang. Der Türke musste sich nun einige Blocks hinter ihm befinden. Sie würden den Park an verschiedenen Punkten betreten und sich dort treffen, wo der ältere Mann gerne stehen blieb, um die Enten zu füttern, während er telefonierte. In der Marlborough Road kam er zu einem kleinen schwarzen Lieferwagen, den seine Partnerin lenkte. Er steckte die zusammengefaltete Zeitung unter die Achsel und öffnete die Hecktüren. Mit

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