Der Feind
hatte sein einstmals scharfes Denkvermögen schon etwas beeinträchtigt. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel, um sie einfach zu engagieren, ohne ein Mitspracherecht zu haben, wie die Sache ablaufen sollte. Es war jedoch sehr verlockend, einfach ja zu sagen. Es warteten weitere zehn Millionen auf ihn, sobald Rapp tot war. Zwanzig Millionen in bar, abzüglich des Honorars, das er den Killern bezahlen musste. Abel hatte bereits eine Zahl im Kopf. Es galt immer viele Faktoren zu berücksichtigen, aber der Preis für das Ausschalten eines Geheimdienst-Offiziers bewegte sich normalerweise im niedrigen bis mittleren sechsstelligen Bereich. In diesem Fall ging es jedoch nicht um irgendeinen Geheimdienst-Offizier, sondern um Mitch Rapp, einen Top-Agenten, der die unangenehme Eigenart besaß, zurückzuschlagen, wenn er angegriffen wurde. Wenn sie Glück hatten, konnten sie ihn erwischen, wenn er gerade unterwegs war. Es würde die Sache erleichtern, wenn sie nicht auf amerikanischem Boden zuschlagen mussten. Nur sehr wenige Auftragskiller arbeiteten gern in Amerika, weil man dort schon bei der Einreise mit allen möglichen Sicherheitsmaßnahmen konfrontiert war. Abel würde wahrscheinlich ein doppelt so hohes Honorar zahlen müssen, wenn die Sache in Amerika über die Bühne ging.
Er wandte sich nach Osten und ging in Richtung Louvre, während er scharf nachdachte, über welche Kontakte er hier in Frankreich verfügte. Er musste den beiden eine Botschaft übermitteln, damit sie erkannten, dass sie es mit einem Profi zu tun hatten und nicht mit irgendeinem Amateur, dem sie Angst einjagen konnten. Leider traute er den Leuten, die er hier kannte, nicht genug, um sie in die Sache hineinzuziehen. Es gab da jedoch ein paar Ungarn, von denen er wusste, dass sie ausgezeichnete Überwachungsarbeit leisteten, und die den Vorteil hatten, dass sie sehr billig waren. Er würde eine ganze Familie zum Preis eines Mannes bekommen – Großeltern, Eltern, Kinder und ein paar Onkel obendrein. Wenn er ins Hotel zurückkam, würde er sofort anrufen, damit sie vielleicht gleich morgen früh ins Flugzeug stiegen. Er würde noch einen Tag abwarten, ob die Frau mit ihm Kontakt aufnahm; wenn nicht, würde er ihr eine E-Mail schicken, um ein weiteres Treffen zu vereinbaren. Er hoffte jedoch, dass das nicht notwendig sein würde. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er die beiden so dringend benötigte.
Abel ging vom Fluss weg und machte sich auf den Weg zum Hotel. Als er auf die Champs-Elysées kam, wehte ihm ein kalter Wind entgegen. Abel schlug den Mantelkragen hoch und beschleunigte seine Schritte. Er kam zu dem Schluss, dass er durch sein abruptes Aufstehen und Weggehen beim ersten Treffen sein Gesicht so weit gewahrt hatte, dass sie wahrscheinlich Kontakt mit ihm aufnehmen würden. Schließlich waren sie auch Geschäftsleute, und er hatte deutlich gemacht, dass sie mit einem hohen Honorar rechnen konnten. Wenn sie sich meldeten, würde er jedenfalls vorbereitet sein. Die Ungarn würden da sein, um sie im Auge zu behalten. Sie würden die beiden auch fotografieren und vielleicht sogar einen Daumenabdruck von der Frau auf einer Kaffeetasse bekommen, wenn sie sich noch einmal trafen. Die Ungarn konnten sie beschatten und herausfinden, wo sie hinging, was ebenfalls sehr aufschlussreich wäre. Der Mann würde sich bestimmt auch irgendwo in der Nähe aufhalten, und vielleicht würden sie ihn entdecken. Wenn er nur irgendeinen Faden zu fassen bekam, dann konnte er vielleicht das ganze Knäuel entwirren. Er würde alles über die beiden herausfinden, was es zu wissen gab, und ihnen einen kleinen Schock versetzen, damit sie zu einem Deal auf der Basis von gegenseitigem Respekt bereit waren.
Abel kam erfrischt und mit neuer Energie im Hotel an. Er hatte einen Plan, und er war guter Hoffnung, dass sie sich bei ihm melden und um eine Fortsetzung der Gespräche bitten würden. Er fuhr im Aufzug zu seiner Suite hinauf, wo er zuerst Mantel und Schal ablegte und dann ins Schlafzimmer ging, um seinen PDA, seinen Personal Digital Assistant, aus dem Safe zu holen. Nachdem er den vierstelligen Code eingetippt hatte, setzte sich der Schließmechanismus in Bewegung, und Abel öffnete die kleine schwere Tür. Der Safe war leer.
Er griff hinein und tastete das Innere ab, um sich zu vergewissern – doch da war tatsächlich nichts. Dabei war er sich sicher, dass er den kleinen Computer hineingelegt hatte, bevor er essen gegangen war – aber nach diesem
Weitere Kostenlose Bücher