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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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der den Anschlag hätte verhindern können?« Die Frage gab ihm zu denken, und als die Frau ein zweites Mal zu ihm kam, stellte sie ihm eine noch interessantere Frage: »Was würden Sie davon halten, wenn Sie die Leute, die das getan haben, aufspüren und töten könnten?« Rapp hatte das Talent und die Motivation dazu, und die CIA wollte ihn an Bord haben.
    Für den damals einundzwanzigjährigen Rapp, der im Selbstmitleid zu versinken drohte, war die Vorstellung, Vergeltung üben zu können, durchaus reizvoll. Verzweifelte Menschen brauchen neue Motivation, und das Angebot der CIA stellte für ihn eine echte Motivation dar. Gleich nach seinem Studienabschluss stürzte er sich in die dunkle Welt der Terrorbekämpfung und der verdeckten Operationen. Die CIA unterzog ihn nicht der Standardausbildung auf der »Farm« bei Williamsburg – für Rapp hatte man andere Pläne. Ein ganzes Jahr lang wechselte er von einem Ort zum nächsten, wo er manchmal nur eine Woche, manchmal auch einen Monat blieb. Den größten Teil der Ausbildung erhielt er von Angehörigen der Sondereinsatzkräfte, die ihm beibrachten, wie man mit Pistole, Messer und Sprengstoff umging, und auch, wie man jemanden mit bloßen Händen töten konnte. Es wurde großer Wert auf Ausdauer gelegt – er musste lange Strecken schwimmend und laufend zurücklegen. Rapp war immer schon gut in Schuss gewesen, aber diese Sadisten machten aus ihm eine Maschine. Neben dem anstrengenden Training legten sie auch großen Wert darauf, dass er seine Sprachkenntnisse erweiterte. Er hatte in Syracuse Wirtschaftswissenschaften und Französisch studiert. Nach nur einem Monat bei der CIA sprach er fließend Französisch, worauf er Arabisch und Farsi zu lernen begann.
    Sie brachten ihm bei, wie man unabhängig operierte, wie man sich in einer fremden Umgebung unauffällig bewegte und wie man unbemerkt Landesgrenzen überquerte. Das Wichtigste aber war, dass sie ihm zeigten, wie man tötete. Rapp erinnerte sich an ein Gespräch, das er einmal mit einem seiner Ausbilder von den Special Forces, einem Mann namens Mike, geführt hatte. Mitch hatte ihn gefragt, ob er schon einmal jemanden getötet habe. Mike grinste und fragte zurück: »Was glaubst du?«
    Sie waren damals in einer Kneipe in der Nähe von Fort Bragg bei einem Bier beisammengesessen. Mike hatte den ganzen Tag damit zugebracht, Rapp zu zeigen, wie man mit allen möglichen Hilfsmitteln Menschen töten konnte – mit einem Messer ebenso wie mit einem Stock oder irgendeinem Schreibwerkzeug. Mike wusste mehr über die Anatomie des menschlichen Körpers wie so mancher Arzt, und er kannte vor allem die Schwachstellen des Körpers. Als Letztes hatten sie durchgenommen, wie man einen Mann von hinten packte und mit dem Messer an der Schädelbasis zustieß, um die Stelle zu treffen, wo das Rückenmark mit dem Gehirn verbunden war. Wie bei allem, was Rapp tat, bestand Mike darauf, dass er das Manöver mit beiden Händen auszuführen lernte. In diesem Fall ging es darum, das Messer rasch herumzudrehen, sobald man es ganz hineingestoßen hatte. Mike umschrieb das Ganze so, dass man dem Betreffenden damit »den Stecker herauszog«. Danach erläuterte er ihm in allen Einzelheiten, was das Opfer an diesem Punkt erlebte. Ja, Mike hatte eindeutig schon Menschen getötet.
    Rapp fragte ihn, ob es ihm je zu schaffen gemacht hätte und ob er es je bedauert hätte, jemanden getötet zu haben. Mike blickte lange in sein Bierglas und sagte schließlich: »Schau, jeder von uns ist anders gestrickt. Manche Leute sind nicht für so etwas geschaffen, aber ich schon, und ich weiß, dass du es auch bist. Vielleicht waren wir in einem früheren Leben Krieger … ich weiß es nicht, aber es gibt eine allgemeine Regel, nach der man sich richten sollte: Töte keine Kinder und keine Frauen, dann wirst du auch weiter ruhig schlafen können. Wenn du einen Mann tötest, der dich töten will, dann empfindest du dabei ein absolut gesundes Urgefühl.«
    »Und wenn du dich noch einmal entscheiden müsstest«, fragte Rapp schließlich, »würdest du einen anderen Beruf wählen?«
    Mike lachte. »O Gott, nein. Das ist der verdammt beste Job auf der Welt. Deine Regierung gibt dir grünes Licht, Terroristen umzubringen. Typen wie uns kann gar nichts Besseres passieren.«

15
PARIS, FRANKREICH
    Das Abendessen war eine etwas einsame Angelegenheit. Normalerweise machte es Abel nichts aus, allein zu essen, aber heute Abend fühlte er sich irgendwie unruhig. Er wohnte im

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