Der Feind
viele Kontakte. Ich könnte jederzeit jemanden anrufen, der Ihre Leiche sehr diskret verschwinden lassen würde.«
Der Mann antwortete nicht sofort. »Das mag schon sein, aber ich halte Sie nicht für jemanden, der solche Risiken eingeht und so impulsiv handelt. Sie sind ein Mensch, der zuerst jedes Detail analysiert, bevor er handelt.«
»Und Sie?«, fragte Abel.
»Ich bin ein Killer. Das ist mein Beruf, und deshalb kann ich die Entscheidung, ob ich jemanden töten soll oder nicht, immer auf der Stelle treffen, ohne mir Gedanken machen zu müssen, welche Folgen das für mein Leben hätte.«
Abel fand allmählich Gefallen an dem Wortwechsel. Mit einem angedeuteten Lächeln fragte er: »Und was für ein Leben muss man führen, damit man in der Lage ist, solche Entscheidungen auf der Stelle zu treffen?«
»Also, ich kann wohl sagen, dass ich recht wohlhabend bin, aber im Gegensatz zu Ihnen trage ich keinen Ballast mit mir herum. Sie besitzen beträchtliche Immobilien in der Schweiz und in Österreich. Wenn Sie einmal gezwungen wären, von der Bildfläche zu verschwinden, dann würde man Ihr Vermögen beschlagnahmen und Ihre Konten einfrieren. Sie haben einfach zu viel zu verlieren, um jemanden zu töten. Bei mir ist das anders. Ich bin wie der Wind – heute hier, morgen dort.«
»Ich habe gewisse Vorkehrungen getroffen«, erwiderte Abel mit angespannter Stimme.
»Das glaube ich Ihnen gern, aber der Großteil Ihres Vermögens ist irgendwo gebunden und noch dazu unter Ihrem richtigen Namen eingetragen. Und Sie sind ein Mensch, dem es sehr schwerfallen würde, die Früchte seiner Arbeit einfach so wegzuwerfen.«
Abel musste ihm widerwillig recht geben und nickte kurz. »Ich brauche einen Drink«, sagte er und ging zum angrenzenden Raum hinüber. »Wollen Sie auch einen?«, fragte er über die Schulter.
Der Mann folgte ihm. »Nein, danke. Ich trinke nie, wenn ich arbeite.«
Abel öffnete die Minibar. »Das ist eine sehr amerikanische Einstellung. Sind Sie Amerikaner?«
»Ich bin Amerikaner, ich bin Brite, ich bin Kanadier – aber genauso bin ich Franzose, Deutscher oder Russe … ich bin das, was gerade notwendig ist.«
Abel nahm eine Flasche Remy Martin heraus. »Auch Deutscher?«, fragte er herausfordernd.
Abel goss den Cognac in den Schwenker und hörte zu, wie der Mann in perfektem Deutsch mit leicht rheinländischem Akzent über das Wetter zu sprechen begann. Er nahm sein Glas und sah den Mann an, von dem leider nicht allzu viel zu sehen war. Der Fremde hatte eine schwarze Kapuze übergestreift, die mit Schlitzen für Augen, Nase und Mund versehen war. Abel schätzte ihn auf knapp einen Meter achtzig, war sich aber nicht sicher, weil der Mann schon wieder auf der Armlehne der Couch saß.
»Und Russe?«
Diesmal begann der Mann mit einer bissigen Tirade gegen Lenin und Stalin. Er sprach so schnell, dass Abel Mühe hatte mitzukommen. Es amüsierte ihn jedoch sehr, dass der Mann offensichtlich seinen Hass auf zwei der größten Schurken des vergangenen Jahrhunderts teilte, und er sah ihn mit einem anerkennenden Lächeln an. »Darauf trinke ich.«
Er ging zur anderen Couch hinüber und setzte sich. »Ich nehme an, ich kann Sie nicht dazu überreden, die Maske abzunehmen?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Glauben Sie mir … es dient nicht nur meiner Sicherheit, sondern auch der Ihren.«
Auch recht , dachte Abel. Früher oder später werde ich sowieso wissen, wie du aussiehst. »Wie soll ich Sie nennen?«, fragte er.
»Wie wollen Sie mich nennen?«
Abel begann sich zu entspannen. »Ach, kommen Sie, Sie müssen doch irgendeinen Decknamen haben, den Sie für so etwas verwenden.«
»Nie öfter als einmal. Suchen Sie sich einen Namen aus.«
Abel atmete den Duft des Cognacs ein und versuchte sich einen aussagekräftigen Namen einfallen zu lassen. Er beschloss, sich einen kleinen Scherz zu erlauben. »Wie wär’s mit Hektar?«
Der Mann überlegte einen Augenblick. »Schlechter Name. Er wurde von Achilles getötet.«
»Wie wär’s dann mit Achilles?«, fragte Abel lächelnd, stolz auf sich selbst, dass er den Mann ausgetrickst hatte.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Nichts Griechisches, da ist zu viel Tragisches dabei. Gehen wir die Sache lieber andersherum an. Wer ist die Zielperson?«
Abel schüttelte energisch den Kopf. »Ich muss mehr über Sie wissen, bevor wir dazu kommen.«
»Gut. Mir würde schon seine Nationalität reichen, und die Stadt oder das Land, in dem ich operieren würde.«
Abel
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