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Der feine Unterschied

Titel: Der feine Unterschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philpp Lahm
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funktioniert. Wir stolpern mehr, als wir spielen.
    Es ist die Saison nach der WM 2006. Die WM war das bestimmende Ereignis des Jahres. Jedes Interview, das ich gab, drehte sich darum, wie die WM sein wird, wie sie ist, wie sie war, und als wir Mitte August, knapp vier Wochen nach dem Spiel um den dritten Platz, in München gegen Borussia Dortmund auflaufen, ist das Ziel, zum dritten Mal in Folge Deutscher Meister zu werden, noch neun Monate entfernt.
    Wir sind nicht unmotiviert. Die Motivation fehlt nie. Alle Profifußballer sind süchtig nach Erfolg. Aber wenn ein Ereignis wie die WM, die nicht von ungefähr als Saisonhöhepunkt bezeichnet wird, in die Normalität einer gewöhnlichen Bundes-ligasaison übergeht, kann es schon passieren, dass sich eine gewisse Müdigkeit einstellt. Der Urlaub war kurz, das Erlebte intensiv, und während man den Körper wieder schnell in Schuss bringen kann, um die Aufgaben, die anstehen, zu erledigen, hinken Psyche und Moral dem Tempo, das der Kalender vorgibt, hinterher. Du weißt, dass du alles geben musst, um mit deinem Klub wieder Deutscher Meister zu werden. Aber deine Psyche, die diesen Wunsch in Konzentration, Entschlossenheit und Leidenschaft auf dem Platz übersetzen muss, ist noch nicht bereit dafür.
    Bei der WM war das nächste Spiel gleichzeitig das nächste Ziel. Die Mannschaft lebte von Runde zu Runde, im nächsten Spiel entschied sich, ob es überhaupt ein übernächstes geben würde.
    Jetzt spielen wir im gewohnten Rhythmus, Woche für Woche, oft zwei, manchmal drei Mal. Die Entscheidung, wer Deutscher Meister wird, fällt, wenn der Winter vorbei ist. Aber jetzt ist Sommer, und noch nicht einmal der Herbst lässt sich ahnen.
    Felix Magath muss gehen, als wir mit einer Niederlage gegen Dortmund und einem Unentschieden zu Hause gegen Bochum in die Rückrunde starten. Es ist ein logischer Abschied, ein Ermüdungsbruch zwischen Trainer und Mannschaft.
    Jeder Trainer hat seine eigene Art, wie er die Mannschaft formt, aufstellt und pflegt, das nennt man Handschrift. Die Handschrift des Trainers lässt sich in allen Sektoren der Zusammenarbeit ablesen. Sie zeigt sich an der Zusammenstellung des Betreuerteams, an den Grundzügen der täglichen Trainingseinheiten, am Umgang des Trainers mit uns Spielern, am Spielsystem, das er bevorzugt, an der Vorbereitung der Mannschaft auf jedes einzelne Spiel und an der Art und Weise, wie er die Spieler auf jede Aufgabe, die wartet, heißmacht.
    Die Anforderungen an den Trainer sind hoch. Er hat es mit einem Kader von doppelt so vielen Profis zu tun, wie er einset-zen kann. Er muss alle bei Laune halten, vor allem die Spieler, die gerade nicht spielen, aber um alles auf der Welt spielen wollen und auf der Ersatzbank böse und bitter werden. Das ist eine Aufgabe, nicht unähnlich der eines Dompteurs von Raubtieren.
    Felix Magath arbeitet mit Druck. Er lässt viele Spieler im Ungewissen, ob er auf sie setzt, und holt auf diese Weise ein Maximum an Einsatz aus ihnen heraus. Für die Spieler ist das sehr anstrengend, und es kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo sie nicht mehr auf der Seite des Trainers stehen.
    Das ist im Winter 06/07 der Fall. Wir stehen in der Meisterschaft nicht gut da. Zu viele Profis fühlen sich auf dem Abstellgleis. Der Trainer erreicht mit seinen Methoden nicht mehr den gewünschten Effekt. Einige Profis lassen sich von dem Druck, den der Trainer ausübt, auch nicht mehr beeindrucken. Seine Tricks greifen nicht mehr, man kennt sie schon. Wir sind seit zweieinhalb Jahren täglich zusammen, machen täglich Erfahrungen, kommunizieren täglich, oder, was auch vorkommt, kommunizieren nicht.
    Auf Magath folgt Hitzfeld, auf den Magath gefolgt war. Beide Entscheidungen kann ich nachvollziehen. Zuerst wollte der Vorstand einen Trainer holen - Magath -, der dem Tonfall des Chefdiplomaten - Hitzfeld - eine neue Qualität entgegensetzt. Das war zwei Jahre lang extrem erfolgreich, und wer sich darüber beschwert hätte, dass im Training die Kugeln tief fliegen, hätte unter Garantie zu hören bekommen, dass an der Säbener Straße kein Wellness-Center ist, sondern das Trainingszentrum jenes Klubs, der den Anspruch hat, jedes Jahr Deutscher Meister zu werden.
    Man kann es ohne Weiteres auch so sagen: Solange die Methoden, nach denen eine Mannschaft trainiert, zum Erfolg führen, sind sie gut. Sobald sie nicht mehr greifen, werden sie durch andere ersetzt - im konkreten Fall durch die, mit denen man vorher erfolgreich gewesen

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