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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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gefunden. [Ref 164]
    Immer noch fehlte eine Million Florins an seinem Lösegeld, und die Geiseln blieben in Gefangenschaft. Einige nutzten das freie Geleit, das ihnen von Zeit zu Zeit gewährt wurde, und kehrten trotz wiederholter Aufrufe nicht zurück. Andere kauften sich mit Teilen ihres Landes frei. Wieder andere verschwanden einfach auf die eine oder andere Weise. Der jüngere Bruder des Herzogs von Anjou, Johann, Herzog von Berry, erfand so viele Ausreden, warum er noch in Frankreich bleiben müsse, daß er sich Freiheit und Ehre erhielt. Matthieu de Roye dagegen, der wahrscheinlich wegen seines Rufes als großer Kriegsmann besonders scharf bewacht wurde, war noch nach zwölf Jahren Geisel. Enguerrand de Coucy sollte 1365 unter besonderen Bedingungen freikommen.

KAPITEL 9
Enguerrand und Isabella
    I sabella von England, zweites Kind und älteste Tochter von König Eduard und Königin Philippa, war das Lieblingskind ihres Vaters, dessen Heiratsdiplomatie für sie schon fünfmal fehlgeschlagen war. Seit dem letzten vergeblichen Anlauf, sie zu verheiraten, als sie neunzehn war, hatte sie völlig unabhängig gelebt, eine verwöhnte, eigensinnige und wild extravagante Prinzessin, die 1365 33 Jahre alt wurde, als sie den acht Jahre jüngeren Enguerrand de Coucy traf. [Ref 165]
    Die ersten drei Königskinder – Eduard, Isabella und Johanna – führten zusammen einen eigenen Haushalt. Sie hatten eigene Geistliche, Musiker, einen adligen Erzieher und eine Erzieherin, drei Kammerzofen für Isabella und zwei für Johanna, einen Stab von Schildknappen, Butlern, Aufsehern, Mundschenken, Köchen, Kammerdienern, Wasserträgern, Kerzenträgern, Türstehern und Stallknechten. Das Essen wurde auf Silber gereicht, sie schliefen auf seidenbespannten Polsterbetten, trugen mit Pelzen besetzte rote und graue Gewänder mit goldenen Knöpfen und silbernen Ornamenten. Ihre Garderobe wurde zu Staatsfesten, Weihnachten, Ostern und Allerheiligen, wenn alle, die es sich leisten konnten, neue Kleider trugen, aufgefüllt. Wenn Isabella und Johanna auf ihren Wallachen von London nach Westminster ritten, führten Pagen die Pferde am Zügel, neben ihnen gingen ihre Almosengeber, die Almosen an die Armen verteilten. Als sie im Alter von neun und zehn Jahren an einem Turnier teilnahmen, waren achtzehn Gewandmacher neun Tage damit beschäftigt, unter der Aufsicht des königlichen Waffenmeisters die Kleidung der Prinzessinnen mit 11 Unzen Blattgold zu verzieren. Das materielle Leben des
14. Jahrhunderts hat durch die eifrige Buchführung überlebt, die noch die kleinsten Ausgaben gewissenhaft auf Pergamentrollen festhielt.
    Als Isabella zwölf Jahre alt war, drückte der König ihre begünstigte Stellung durch sieben Hofdamen aus, während er Johanna nur drei zugestand. Von den sieben wird berichtet, daß sie während der Zeit der Pest 1349 mit ihrer Herrin zu einem Turnier in Canterbury mit Masken erschienen seien, die sie offenbar vor Anstekkung schützen sollten. Diese Vorsichtsmaßnahme half zumindest in einem Fall nichts, denn 1349 starb Isabellas Lieblingshofdame, die Lady de Throxford.
    Seltsam unbeeindruckt von der Seuche, feierte der Hof 1349 mit großem Zeremoniell die jährliche Zusammenkunft des Hosenbandordens in Anwesenheit der Königin, der Prinzessin Isabella und von dreihundert Hofdamen. Die »Ladies of the Garter« trugen dieselben Gewänder wie die Ritter, blau und silbern verziert und mit dem eingestickten Motto des Ordens. Die Kosten trug die königliche Schatzkammer.
    Schon als sie erst drei Jahre alt war, hatte der König Isabellas Heirat mit Pedro, dem Sohn des Königs von Kastilien, betrieben, aber die Verhandlungen scheiterten, vielleicht zu Isabellas Glück, denn ihr Ausersehener gewann später düsteren Ruhm als Peter der Grausame. An ihrer Stelle wurde Johanna zur Braut des kastilischen Prinzen bestimmt, aber sie starb auf dem Weg zu ihrem Bräutigam in Bordeaux an der Pest. Eine zweite Partie für Isabella war der Sohn des Herzogs von Brabant, aber der Abschluß der Verhandlungen wurde verzögert, weil die beiden blutsverwandt waren, und noch während der Papst über einen Dispens nachdachte, wurde sie mit dem zögernden Ludwig von Flandern verlobt, erreichte dieses Mal auch fast den Altar, als er sie in jenem berüchtigten Skandal sitzenließ. Zwei Jahre später scheiterte ein Versuch Eduards, sie mit Karl IV. von Böhmen zu verheiraten, dem gewählten, aber noch nicht gekrönten Kaiser, der Witwer war.
    Dann kam die

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