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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Zeit von Isabellas Vergeltung. 1351 – sie war neunzehn – kündigte der König ihre bevorstehende Heirat mit Bérard d’Albret an, dem Sohn von Bernard-Ezi, Sire d’Albret, einem großen Baron der Gascogne und Eduards Gouverneur dort.
Ob das die Wahl des Königs oder seiner Tochter war, ist unbekannt. Die d’Albrets waren zwar keine Herrscherfamilie, aber ein weitverzweigter, machtvoller Klan, den Eduard an England binden wollte. Im Jahr der Verlobung setzte er für Bernard-Ezi eine Pension von 1000 Pfund aus als Belohnung für dessen Standhaftigkeit gegen »die Drohungen und Schmeicheleien« des Königs von Frankreich.
    Auch wenn die Verbindung mit einem d’Albret für die älteste Tochter des englischen Königs nicht gerade ein diplomatischer Triumph war, sie war ein wichtiger Schritt zu einer Zeit, als Eduard alles tat, um seine Kontrolle über Aquitanien zu festigen. Gleichzeitig aber schien der König merkwürdig unwillig, seine Tochter ziehen zu lassen, er beschrieb sie als »unsere liebe älteste Tochter, die wir mit besonderer Zuneigung geliebt haben«. Er fügte dem Heiratsvertrag eine ungewöhnliche Klausel an – fast eine Aufforderung an sie, es sich noch einmal zu überlegen –, die vorsah, daß im Falle eines Scheiterns der Heirat die Mitgift nicht an ihn, sondern an Isabella selbst zurückfiel.
    Um die Prinzessin nach Bordeaux zu bringen, ließ Eduard durch einen königlichen Offizier fünf Schiffe beschlagnahmen, die traditionelle, sehr direkte Methode, ohne Umstände an Fahrzeuge zu kommen. Die Schiffe wurden mit der überaus reichen, kostbaren Ausstattung der Prinzessin beladen, ihr Gefolge von Rittern und Hofdamen stand bereit, aber noch im Hafen entschied sich Isabella gegen die Heirat und kehrte um. War es ein Bedürfnis, jemanden so sitzenzulassen, wie sie sitzengelassen worden war? Oder ein innerer Widerstand, sich auf eine im Grunde nicht ganz standesgemäße Ehe einzulassen? Oder vielleicht die Erinnerung an den Tod ihrer Schwester auf deren Hochzeitsreise nach Bordeaux? Oder war die ganze Affäre nur ein Mittel, um an Geld und eine neue Ausstattung zu kommen?
    Gerüchten zufolge war Berard d’Albret [Ref 166] durch die Absage der Braut so verletzt, daß er zugunsten seines jüngeren Bruders auf sein Erbe verzichtete und die Kutte eines Franziskanermönchs anlegte. Nach einer anderen Überlieferung aber scheint er eine Dame von St. Bazeille geheiratet zu haben, ein Lehen des französischen Königs empfangen und ein seltsames Wappen, das den Midaskopf,
getragen von zwei Löwen, zeigte, übernommen zu haben, ein Symbol, das auf ganz andere Interessen als das Armutsideal der Franziskaner hinweist.
    Keineswegs empört über Isabellas Eigenwilligkeit, überschüttete König Eduard seine Tochter mit Lehen und Geldzuwendungen, Schlössern, Burgen, Klöstern, Gütern und Geschenken, vor allem kostbaren Juwelen. Ihre Verschwendungssucht aber übertraf all seine Großzügigkeit. Sie kaufte auf Kredit, verpfändete ihre Juwelen, bezahlte ihre Diener nicht. Mit Gleichmut beglich der König ihre Schulden und setzte ihr 1358, als sie 26 war, eine weitere jährliche Pension von 1000 Pfund aus.
    Wann während seines fünfjährigen Englandaufenthalts Isabella sich für Enguerrand de Coucy zu interessieren begann, ist nirgendwo festgehalten, aber der Chronist Ranulph Higden schreibt mit großem Nachdruck, »daß sie die Verlobung nur aus Liebe [Ref 167] wünschte«. Vielleicht hatte sie sich wirklich nach den vielen Jahren lediger Unabhängigkeit verliebt, vielleicht aber kam sie auch nur einem Wunsch ihres Vaters nach und war nebenbei erfreut, als er ihr vorschlug, den jungen, attraktiven, reichen französischen Adligen von alter Abstammung und großem Landbesitz zu heiraten. Eduard war jedenfalls deutlich angetan von dieser Partie seiner ältesten Tochter und mag durchaus ihr Urheber gewesen sein. Die Verbindung versprach ihm neuen Rückhalt in Frankreich, und natürlich wünschte er, das Hinterland von Calais in den Händen eines England geneigten Mannes zu sehen, womit zugleich im Fall eines neuen Konflikts mit Frankreich ein starker Gegner ausgeschaltet war. Eduard betrieb damals immer noch die Politik, um große französische Adelshäuser zu werben, zumal es immer wieder Schwierigkeiten bei den Abtretungen französischer Territorien an die englische Krone gab. Ob er Enguerrand nun auf seine Seite ziehen wollte oder ob er Zuneigung zu ihm gefaßt hatte, jedenfalls waren Coucy schon 1363 die

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