Der ferne Spiegel
Kalb mit Forellen, Rebhühner und Fasanen mit nochmals Forellen, Enten und Reiher mit Karpfen, Rindfleisch und Kapaune mit Stör, Kalbfleisch und Kapaune mit Karpfen in Zitronensoße, Rindfleischpastete und Käse mit Aalpastete, Fleischaspik und Fischaspik, geröstete Jungziege, Pfauen mit Kohl, französische Bohnen und sauer eingelegte Ochsenzunge, süße Dickmilch und Käse, schließlich Kirschen und andere Früchte. Was übrigblieb, sagte man, hätte gereicht, um tausend Mann zu füttern. Unter den Teilnehmern des Festmahls waren Petrarca, ein geehrter Gast weit oben an der Tafel, und Froissart und Chaucer, wobei es unwahrscheinlich ist, daß diese beiden jungen Unbekannten dem berühmten italienischen Dichter vorgestellt wurden.
Niemals ist das Schicksalsrad härter herumgeschlagen; niemals ist Prahlerei so gesühnt worden. Noch in Italien starb Lionel vier Monate später an einem undiagnostizierten »Fieber«, was natürlich den Verdacht der Vergiftung weckte, aber da der Tod des Herzogs von Clarence die einflußreiche Allianz zerstörte, die Galeazzo unter so enormen Kosten gesucht hatte, ist der Grund wohl eher in der vergoldeten Speise in der Hitze des lombardischen Sommers zu vermuten. Violantes Schicksal war nicht besser. Sie wurde wenig später mit einem halbverrückten Sadisten verheiratet, dem siebzehnjährigen Marquis von Montferrat, der es liebte, jugendliche Diener mit den bloßen Händen zu erdrosseln. Nach dessen Ermordung heiratete sie einen Vetter, einen von Bernabòs Söhnen, der ein gewaltsames Ende unter den Händen ihres Bruders fand. Als dreifache Witwe starb sie im Alter von 31 Jahren.
Zwölf Monate nach der Visconti-Hochzeit nahm Enguerrand de Coucy als Gesandter des Königs an einer Heirat von größerer politischer Tragweite und nicht geringerem Glanz teil. Um die Braut hatten zwei Könige gestritten, Karl V. für seinen Bruder Philipp von Burgund und König Eduard, der sie mit seinem Sohn Edmund
vermählen wollte. Sie war Margarete von Flandern, die Tochter und Erbin von Ludwig von Male, jenes Grafen von Flandern, der einst Isabella sitzengelassen hatte. Eduard hatte sich um diese vielversprechende Dame fünf Jahre lang bemüht und war so weit gegangen, ihrem Vater Calais und 170 000 Pfund zu versprechen. Aber da die beiden Hauptbeteiligten im vierten Grade blutsverwandt waren – was kaum zwei Personen königlicher Abstammung in Europa nicht waren –, bedurfte die Heirat eines päpstlichen Dispenses. Entschlossen, England und Flandern auseinanderzuhalten, machte sich Karl V. seinen Einfluß auf den französischen Papst zunutze. Urban V. verweigerte Edmund und Margarete den Dispens, gestand ihn aber nach einer Schamfrist Philipp und Margarete zu, die genauso eng miteinander verwandt waren. Der König von England war ausmanövriert. Die Vereinigung von Burgund und Flandern war für Frankreich ein politischer Triumph, aber sie schuf einen Staat, der sich gegen Frankreich stellen und England in der dunkelsten Stunde dieses Krieges im nächsten Jahrhundert Genugtuung verschaffen sollte.
Um Margaretes Leidenschaft für Juwelen zu befriedigen, ließ der Herzog von Burgund aus ganz Europa Edelsteine kommen und kaufte als wertvollstes Stück der Kollektion Enguerrand de Coucy ein Perlenkollier für 11000 Livres ab. [Ref 199]
Drei enorme Schatztruhen mit wertvollen Geschenken reisten Philipp zur Hochzeit nach Gent voraus. Durch Geschenke und Feste für Adel und Bürger, durch Prozessionen und Turniere, durch den Glanz seines Gefolges und seines Auftretens versuchte der Herzog mit allen Mitteln, die Flamen zu beeindrucken und auf die französische Seite zu ziehen. Prachtentfaltung war für Philipp Politik, Teil des Aufbaus eines Staates durch sein Prestige. Er selbst war immer großartig gekleidet, trug einen Hut mit Pfauen- und Fasanenfedern und Federn »des Vogels von Indien«. Er liebte körperliche Anstrengungen, verbrachte Tage und Nächte bei der Jagd, schlief oft im Freien, war ein energischer Tennisspieler und der wohl ruheloseste Reisende seiner Zeit. Er wechselte seinen Aufenthalt bis zu einhundertmal im Jahr. Viele seiner Reisen waren Pilgerfahrten, auf denen er einen tragbaren Reliquienaltar mitführte. Er besuchte die Messe fast so eifrig wie der König, meditierte
auch allein wie der König in einer Privatkapelle und ließ es an wirkungsvollen religiösen Opfergaben nicht fehlen. Nach seiner Hochzeit schenkte er der Statue der Jungfrau im Dom von Tournai einen Mantel aus
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