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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Verwüstungsfeldzug durch die Champagne und Burgund, über das Zentralmassiv der Auvergne und schließlich, nach fünf Monaten und fast 1000 Meilen, durch Aquitanien. Vielleicht war es das Ziel dieses berühmten Marsches, möglichst großen Schaden anzurichten, unter Umständen mit der zusätzlichen Absicht,
die Franzosen daran zu hindern, eine Invasion Englands vorzubereiten. Vielleicht aber suchte Johann von Gaunt auch einfach mehr Raum für ritterliche Abenteuer und zugleich die Plünderungen, die notwendig waren, um seine Armee zu bezahlen und zu unterhalten.
    Die Armee, die wie gewöhnlich in drei Säulen marschierte, um sich besser aus dem Land ernähren zu können, schaffte etwa acht oder neun Meilen am Tag und richtete willkürliche Verwüstungen im Lande an, um die französischen Ritter zur Schlacht zu reizen. Das schlug fehl, denn Karl V. hatte seiner Armee streng verboten, sich zum Kampf zu stellen, und die Bevölkerung suchte zum größten Teil Schutz in den befestigten Städten. Johann von Gaunts Marsch erstreckte sich bis in die Kälte und den Regen des Herbstes; der Nachschub stockte, Pferde verhungerten und starben, Unannehmlichkeiten verwandelten sich allmählich in Härten und Härten in Entbehrungen. Die Männer des Herzogs von Burgund, die der englischen Streitmacht auf den Fersen folgten, griffen Nachzügler auf, örtlicher Widerstand kostete Verluste, im Süden legte Du Guesclin Hinterhalte. Der November fand das Heer auf der sturmgepeitschten Hochebene der Auvergne, Ritter ohne Reitpferde trotteten zu Fuß dahin, viele legten ihre verrosteten Rüstungen ab, andere bettelten um Brot, als sie Aquitanien endlich erreichten. Die erschöpfte und ausgezehrte Armee, die um die Weihnachtszeit nach Bordeaux hineinstolperte, hatte alle Pferde und die Hälfte ihrer Soldaten verloren. Zusammen mit den gasconischen Truppen waren die Engländer immer noch stark genug, um Aquitanien zu halten, die englische Besitzung, die nun auf ihre alten Grenzen zurückgeschrumpft war, aber es waren nicht mehr genug Soldaten, um zurückzugewinnen, was inzwischen verlorengegangen war. In der Zeit bis 1374 war der Vertrag von Brétigny nicht nur de jure , sondern auch de facto null und nichtig geworden. Außer Calais kontrollierte England nun nicht mehr als vor der Schlacht von Crécy. Auch militärische Überlegenheit konnte einen Feind nicht besiegen, der sich nicht zur Schlacht stellte. Im August 1374 erklärte sich König Eduard bereit, einen Waffenstillstand zu schließen.
    Die Zeit war für beide Seiten reif. Karl V., der seinen Verstand
gebraucht hatte, und Du Guesclin mit seiner unorthodoxen Taktik hatten sich verbunden und eine Strategie entworfen, die auf der Anerkennung der Realitäten beruhte – und die direkte Antithese des ehrenvollen Kampfes war, dem zentralen Prinzip des Rittertums. Während die zeitgenössischen Chronisten versuchten, aus Du Guesclin den »zehntbesten« und den »vollkommenen« Ritter zu machen, und während Karls Biographin Christine de Pisan ihn für alles außer seine wirklichen Leistungen pries, waren es in Wahrheit die nichtritterlichen Eigenschaften dieser beiden eigensinnigen, hartnäckigen Gestalten, die Frankreich aus dem Ruin herausführten. Karl V. hatte sein Kriegsziel erreicht, aber um den Preis eines verwüsteten und erschöpften Reiches. Nach einigen taktischen Ausflüchten schickte er Gesandte zu den Friedensverhandlungen in Brügge.

KAPITEL 13
Coucys Krieg
    E s gab keinen Friedensvertrag in Brügge, denn die Engländer waren entschlossen, ihre alten Besitzungen in Frankreich zu behalten, während Karl ebenso fest entschlossen war, die Souveränität über Aquitanien zurückzugewinnen, die in Brétigny abgetreten worden war. Seine Rechtsgelehrten versuchten, die Ungültigkeit jener Abtretung nachzuweisen, da sie den heiligen Eid der Gefolgstreue verletzt habe; daher hätten sich der Schwarze Prinz und der König von England der Rebellion schuldig gemacht wie einst Luzifer gegen Gott. Das befriedigte Karls lebenslanges Bedürfnis nach Legalität, aber es beeindruckte die Engländer nicht im geringsten. Um das völlige Scheitern der Unterhandlungen zu verhindern, die mit großer Pracht von den Herzögen von Burgund und Lancaster ausgerichtet worden waren (Burgund erhielt 5000 Franken im Monat Entschädigung von der Krone), einigte man sich auf einen einjährigen Waffenstillstand und einen Neubeginn der Verhandlungen im November. [Ref 219]
    Durch den Waffenstillstand

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