Der ferne Spiegel
Jahrhunderts impulsiv und ohne Überlegung.
Ebenso wie die finanzielle Struktur wurde bald auch die Regierung, die Karl V. hinterlassen hatte, beseitigt. Die Onkel des Königs ließen Bureau de la Rivière, den Karl V. geliebt hatte und der zu seinen Füßen begraben werden sollte, durch einen Mittelsmann des Verrats bezichtigen. Er wurde nur deshalb gerettet, weil Clisson in Anwesenheit des gesamten Hofes den Fehdehandschuh zu Boden warf und niemand es wagte, die schreckliche Herausforderung anzunehmen. Dennoch verließ Rivière kurz darauf sein Amt, da er weitere Angriffe fürchtete, auch d’Orgement und Mercier wurden schließlich verdrängt, und ein weiterer der früheren Räte Kehrs V., Jean de La Grange, der Kardinal von Amiens, fand einen guten Grund, seinen Abschied zu nehmen. [Ref 291]
Die Feinde des Kardinals hatten dem jungen König schon vor Jahren eingeflüstert, daß La Grange einen Hausdämonen bei sich beherberge. Einmal hatte sich der Dauphin, als er zehn Jahre alt war, zum beträchtlichen Ärger des Kirchenfürsten bekreuzigt, als der Kardinal auf ihn zukam, und ausgerufen: »Flieht den Teufel! Werft den Teufel hinaus!« Als La Grange hörte, daß der junge König nach seiner Krönung gesagt hatte: »Nun ist die Zeit gekommen, uns an diesem Priester zu rächen«, brachte er sein Vermögen in Sicherheit und floh nach Avignon, um nie mehr zurückzukehren.
Coucy diente in der Zeit dieser beunruhigenden Ereignisse im Thronrat und genoß ein gutes Verhältnis zu allen drei Herzögen, von denen jeder sich seine Unterstützung zu sichern suchte. Eine der ersten Maßnahmen des Herzogs von Anjou als Regent war es gewesen, Coucy im lebenslangen Besitz von Mortaigne an der Kanalküste zu bestätigen, das ihm noch Karl V. vor seinem Tode vermacht hatte. Neben seinen ausgedehnten Territorien besaß Coucy ohne Zweifel persönliche Anziehungskraft und die Fähigkeit, sich keine Feinde zu machen. In dem großen Lotteriespiel um Einfluß am Hofe gelang es ihm immer, mit denen zusammenzuarbeiten, die gerade an der Macht waren. Vielleicht kam ihm hierbei die politische Finesse zustatten, die er durch die schwierigen Umstände seiner englischen Heirat gewonnen hatte. Nachdem es ihm gelungen
war, den Friedensvertrag mit dem Herzog der Bretagne im Januar 1381 abzuschließen, wurde er ein weiteres Mal als Botschafter zu den Engländern nach Montreuil gesandt, um Streitigkeiten um die Bedingungen des Waffenstillstands auszuräumen. Später im Jahr bezahlte er, wie einige Dokumente nachweisen, Spione für Berichte über Calais, Guînes und andere englische Festungen. Er hatte den Auftrag, die Grenze zu verteidigen, aber im Mai rief ihn der Herzog von Anjou nach Paris zurück, um seinen Rat in bezog auf Anjous Pläne in Italien einzuholen.
Immer noch auf der Jagd nach einem Königsthron, brauchte der Herzog von Anjou dringend Geld. Da er wußte, daß Karl V. in Melun einen Schatz für seinen Sohn hinterlassen hatte, versuchte er, ihn unter seine Kontrolle zu bringen, indem er den Verwalter des Vermögens hinzurichten drohte. Der Mönch von St. Denis ist sich indessen dieser Geschichte nicht sicher, denn »man weiß nie die Wahrheit über diese Dinge, die sich im Schatten abspielen«. Was immer der Herzog von Anjou von dem Schatz an sich bringen konnte, es war nicht genug. Er versuchte weiterhin, den Provinzen Geld abzupressen, stieß aber im allgemeinen auf mürrischen Widerstand. [Ref 292]
Während die Unruhe in Frankreich schwelte, brach in England im Juni 1381 die Revolte aus – nicht in den Städten, sondern auf dem Lande. In einem Reich, das vorwiegend agrarisch war, stellten die Bauern die Arbeiterklasse dar. Die dritte Kopfsteuer in vier Jahren war das auslösende Moment. Von einem unterwürfigen Parlament im November 1380 sanktioniert, um die Ambitionen des Herzogs von Lancaster in Spanien zu finanzieren, brachte die Steuer nur zwei Drittel der erwarteten Summe ein, nicht zuletzt deshalb, weil die Einzieher leicht zu bestechen waren, eine Familie zu übersehen oder ihre Register zu fälschen. Ein zweiter Versuch, den Rest einzutreiben, wurde notwendig, was Unruhen geradezu herausforderte. Wenn die Lords und Prälaten und die königlichen Onkel in Richards II. Regierung ein Ohr für die ständigen Klagen über lokale Erhebungen gehabt hätten, wären sie wohl behutsamer vorgegangen. So aber zogen sie die fürchterlichste Herausforderung des Jahrhunderts auf sich.
Ende Mai verweigerten Dörfer in Essex an
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