Der ferne Spiegel
freigegeben hatte, dem Gegner zu Hilfe zu eilen. Nun hatte es Anjou plötzlich eilig und sandte die traditionelle Herausforderung an Durazzo, in der er jenen aufforderte, Zeit und Ort einer Entscheidungsschlacht zu benennen.
Karl III . aber dachte nicht daran, sich festlegen zu lassen. Im Schutz seiner Festung setzte er darauf, Anjou durch die lange Dauer des Feldzuges zu zermürben, ihn seine Reserven erschöpfen zu lassen und ihn dann zu stellen, wenn er leicht zu schlagen war. Zum Schein gab er vor, auf Anjous Herausforderung mit Freuden einzugehen, und hielt ihn in Bewegung, zwang ihn in Märsche auf eine Schlacht zu, die sich bei seiner Annäherung jeweils in Luft auflöst.
Um Weihnachten herum war Anjou in so tiefer Sorge, daß er sein Testament aufsetzen ließ, und Amadeus, der alle Hoffnung auf einen Sieg aufgegeben hatte, schlug Friedensverhandlungen vor. Als Gegenleistung dafür, daß der Herzog von Anjou seinem Anspruch auf Neapel entsagte, sollte Karl III. seinen Anspruch auf die Provence aufgeben und Anjou freies Geleit zur Küste gewähren, damit er nach Frankreich zurückkehren konnte. Karl III . lehnte ab. Ein Entscheidungskampf zwischen zehn Rittern jeder Seite wurde verabredet, fand aber wie immer, wenn es um Großes ging, nicht statt.
Im Februar 1383 verbreitete sich eine Epidemie in der Armee Anjous in den Bergen über Neapel. Die Soldaten starben in großer Zahl, unter den Opfern war auch Amadeus von Savoyen, der Grüne Graf. Er war 49 Jahre alt geworden. Am 1. März, ein trostloses Jahr entfernt von Savoyen, kam seine glänzende grüne Karriere an ihr Ende. Anjou weinte Tränen der Hilflosigkeit an seinem Totenbett.
Frustriert und hungrig zogen sich die angevinischen Truppen in den Absatz Italiens zurück. Alles, was von Anjous königlichem Schatz noch übrig war, wurde genutzt, um Lebensmittel zu kaufen. Sogar seine Krone, die er für die Krönung in Neapel mitgebracht hatte, mußte versetzt werden. Statt der delikaten Wildbraten und Pasteten, an die er gewöhnt war, aß er nun Kanincheneintopf und Gerstenbrot. Im Laufe der Monate verhungerten die Maultiere, und die Kriegsrosse »statt mit den Hufen zu scharren und stolz zu wiehern, schlichen mit gesenkten Köpfen wie gemeine Tiere dahin«.
Seit er Paris verlassen hatte, hatte Anjou den königlichen Rat mit Briefen und Botschaften unablässig ermahnt, sein Versprechen zu erfüllen und einen zweiten Feldzug gegen Neapel unter dem Kommando von Coucy zu unternehmen. Noch während er in Avignon war, hatte er seinen Vertrauten in Paris, Pierre Gerard, angetrieben, alles zu tun, um Coucy für diese Sache zu gewinnen. Zwar sollte Coucy kein Geld zugestanden werden, bis er sich schriftlich verpflichtete, sich Anjou anzuschließen, aber Gerard war instruiert, »diesen Seigneur immer so entgegenkommend wie nur möglich zu behandeln«. Papst Klemens VII. unterstützte Anjous Wunsch, aber trotz allem blieb Anjou im Jahr von Roosebeke der Ungewißheit überlassen. Erst nach der Unterwerfung der Bürger von Paris, als die Schatzkammern durch die Bußgelder aufgefüllt waren, war die Krone bereit, ihr Versprechen einzulösen. Zu dieser Zeit war Amadeus schon tot, und die »Armee des Xerxes« kauerte jämmerlich in Bari. [Ref 305]
Coucy war bereit, wartete sogar mit Ungeduld auf die Gelegenheit, Anjou zu Hilfe zu kommen. Er hielt immer Verbindung mit dem Kanzler des Herzogs, Bischof Jean le Fèvre, und fragte wiederholt nach, ob Le Fèvre eine positive Antwort vom König hätte. Schließlich bewilligte der Rat Anjou 190 000 Franken, von denen 80 000 Franken Hilfsgelder waren, die in seinen Ländereien selbst zu erheben waren. Gerade in diesem Augenblick unternahm England in einem letzten Anfall von Kampfeslust eine weitere Invasion. Alle Energien Frankreichs wurden sofort an diese Herausforderung gewandt, kein Soldat mehr durfte auf Befehl des Herzogs von Burgund das Königreich verlassen. Coucys Expeditionspläne waren gescheitert. Eine Armee wurde aufgestellt, aber nicht für Italien, sondern wieder einmal für Flandern, wo die Engländer Dünkirchen besetzt hatten.
Angeführt von Henry Despenser, dem Bischof von Norwich, war der englische Einfall ein Ergebnis von Papst Urbans Bemühungen um einen »Kreuzzug« gegen das schismatische Frankreich. Der Feldzug begann mit einem Skandal und endete in einem Fiasko. Der moralische Schaden, den sich das Papsttum durch die Methoden, mit denen der »Kreuzzug« finanziert wurde, zuzog, überwog
alles, was es
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