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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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hätte gewinnen können, selbst wenn das Unternehmen ein Erfolg geworden wäre. Priester und Mönche wurden vom Papst mit »wundervollen Ablässen« ausgestattet und hatten die Befugnis, Absolution zu verkaufen oder, was schlimmer war, zu verweigern, »wenn die Menschen nicht entsprechend ihrem Stand und Besitz gaben«. Selbst die Sakramente wurden zeitweise Gemeindemitgliedern vorenthalten, die ein Opfer für den Kreuzzug verweigerten. Gold, Silber, Juwelen und Geld gingen in die Kollekten, besonders, Knighton zufolge, »von Damen und anderen Frauen . . . Auf die Weise wurde der heimliche Schatz des Reiches, der sich in den Händen der Frauen befand, hervorgezogen.« Der Protest gegen die Kirche gewann neues Leben und inspirierte eines von Wyclifs letzten Traktaten: »Gegen klerikale Kriege.« Lollhardenprediger brandmarkten »diese weltlichen Prälaten . . . diese Hauptleute und Herrichter von Schlachten des Satans, die das gute Leben und die Barmherzigkeit verbannen«. Da die Ablässe ihrer Meinung nach unwirksam waren, sagten sie, »keine Zunge könne sagen, wie viele Seelen durch die Handlungen dieser verfluchten Hauptleute und Antichristen in die Hölle gingen«. [Ref 306]
    Norwich war nicht nur ein kriegerischer, sondern ein tatsächlich kriegslüsterner Prälat. Obwohl er ein Bischof war, beschrieb ihn Walsingham als »jung, ungezügelt und unverschämt . . . begabt weder mit Wissen noch Takt, erfahren weder in Freundschaft noch Treue«. Bis er genügend Geldmittel und eine Streitmacht von etwa fünftausend Mann gesammelt hatte, waren seine vermeintlichen Bundesgenossen, die Bürger von Gent, bereits unterworfen. Es gelang ihm indessen, sofort nach seiner Landung in Calais Gravelines, Dünkirchen und Bourbourg an der flämischen Küste zu erobern. Nachdem er ohne Erfolg Ypern belagert hatte, wandte er sich der Picardie zu, die von Coucy als Generalhauptmann verteidigt wurde. Norwich zog sich aber kampflos zurück, als seine halbe Streitmacht unter Führung des Veteranen Sir Hugh Calveley sich weigerte, ihm weiter zu folgen. Als er hörte, daß eine weit überlegene französische Streitmacht im Anmarsch war, verschanzte Norwich sich in Bourbourg, während Calveley nach Calais zurückmarschierte. »Meiner Treu«, sagte dieser alte Hauptmann angeekelt, »wir haben einen schändlichen Feldzug geführt; niemals hat ein erbärmlicherer
oder schandbarerer von England seinen Ausgang genommen. « Das war die Folge davon, sagte er, daß man »diesem Bischof von Norwich« geglaubt hatte, »der fliegen wollte, bevor er Flügel hatte«.
    Eine große französische Armee richtete sich im August vor Bourbourg auf eine lange Belagerung ein, vertrieb sich die Zeit mit Festlichkeiten und Besuchen ausländischer Ritter, mit Zweikämpfen und Turnieren, die »den Ruhm des alten Rittertums« beleben sollten. In diesen Aktivitäten machte Coucy einen glänzenden Eindruck. Auf einem schönen Pferd und gefolgt von Knappen, die seine Wappen trugen, »ritt er von einer Seite zur anderen in der elegantesten Form und zum Entzücken aller, die ihn sahen; und alle priesen und ehrten ihn um seine Haltung und hervorragende Erscheinung«. Vier Monate vergingen in vergnügter Form und in einer ganz anderen Atmosphäre als jener in der Zeit des Kampfes gegen die Gemeinen von Gent im Jahr zuvor. Die Franzosen zeigten keinen großen Eifer, Bourbourg ernsthaft anzugreifen, und die ganze Affäre nahm durch die erfindungsreiche Vermittlung Montforts, des Herzogs der Bretagne, ein friedliches Ende. Norwich wurde freigekauft und kehrte mit einem Defizit und unter Schanden nach England zurück. Der Ruhm der englischen Waffen, schon vorher verblichen, sank weiter, und das Scheitern des Feldzugs gab den Moralisten neuen Anlaß, mit der Ungerechtigkeit und Überheblichkeit der Männer des Schwertes ins Gericht zu gehen. »Gottes Hand ist gegen sie«, sagte Thomas Brinton, der Bischof von Rochester, »weil ihre Hand gegen Gott ist.« [Ref 307]
    Die Beteiligten konnten es nicht wissen, aber die Norwich-Invasion war die letzte des Jahrhunderts, wenn auch nicht des Krieges. Der Kampf lief aus, ohne daß er eine Einigung zwischen England und Frankreich nähergebracht hätte. Verhandlungen begannen wie gewöhnlich nach der Belagerung von Bourbourg, aber man konnte sich auf nichts Grundlegenderes einigen als einen neunmonatigen Waffenstillstand, der im Januar 1384 unterzeichnet wurde. Coucy war dieses Mal nicht unter den Gesandten, die den Frieden aushandeln

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