Der ferne Spiegel
Er ließ die Königin im Kerker erdrosseln und stellte ihre Leiche sechs Tage lang in der Kathedrale zur Schau, damit keine Zweifel an ihrem Tod blieben.
Der Herzog von Anjou zog über Avignon nach Italien und wurde dort von Papst Klemens VII. als König von Neapel und Sizilien sowie der Provence gekrönt. Zugleich exkommunizierte Klemens den Rivalen Karl von Durazzo. Der Herzog von Anjou trieb rücksichtslos Hilfsgelder in der Provence ein, bekam zusätzliche Unterstützung von Klemens und verband sich für seine Italienexpedition mit jenem energischen Edelmann Amadeus, dem Grünen Grafen von Savoyen, der eintausendeinhundert Lanzen bereitstellte, was den Herzog von Anjou 20 000 Dukaten im Monat kostete.
Mit einer Armee von fünfzehntausend Mann, mit dreihundert Maultieren und einem gewaltigen Troß zog Anjou über die Alpen in die Lombardei. Die Ausrüstung des Grünen Grafen schloß ein großes grünes Pavillonzelt ein, grüne Sättel, grüne Schuhe, Kittel und Mäntel für sein ganzes Gefolge. Als vor dem Aufbruch einige seiner Freiherren aus verschiedenen Gründen Protest gegen das Unternehmen äußerten, brachte er sie mit den hellsichtigen Worten zum Schweigen: »Ich werde erfüllen, was ich versprochen habe, und wenn es mich das Leben kostet.« Viele große Ritter schlossen sich ihm an »aus Liebe zu der Tapferkeit und Großzügigkeit, die sie an ihm bewunderten«.
In Mailand machte der Herzog von Anjou ein ähnliches Heiratsgeschäft mit den Visconti wie sein Vater. Sein siebenjähriger Sohn Louis wurde mit Bernabòs Tochter Lucia verlobt, und die Hilfsgelder der Visconti füllten Anjous Kriegskasse auf. Bernabò zahlte für die Aussicht, daß seine Tochter einmal Königin von Neapel würde, 50 000 Florins – eine Summe, die etwa mit dem jährlichen Einkommen von hundert bürgerlichen Familien vergleichbar ist –, hinzu kam eine zusätzliche Zahlung von Gian Galeazzo. Der Herzog von Anjou nutzte jede Gelegenheit, sich auf dem Weg zu seinem Königreich angemessen auszustatten.
Mit buntgefederten Helmen und verschwenderischer Pracht, beladen mit Ehrengaben und Geschenken, brachen er, Amadeus und ihre Ritter in Mailand auf, gefolgt von einer solchen Anzahl von Männern und Wagen, daß man von »einer Armee wie der von Xerxes« sprach. Sie zogen zunächst nach Osten, um die schwierige Route die adriatische Küste hinunter zu nehmen, da Florenz, das
sich sowohl gegen Anjou als auch gegen Durazzo ausgesprochen hatte, sechstausend Mann aufgeboten hatte, um ihnen den Weg durch die Toskana zu verlegen. Nach dem Mönch von St. Denis – der wie jener andere Mönch Walsingham viel gegen marodierende Herzöge hatte – schmeichelten sich Anjou und seine Ritter, daß durch sie die Lilien von Frankreich ihr »süßes Parfüm des Ruhms« weit verbreiten würden. Während des Rittes feierten sie ihr Unternehmen in Liedern und Versen und »fabelhaften Epen« von der Tapferkeit der Franzosen.
Obwohl der Herzog von Anjou erklärt hatte, er wolle »mit der Macht des Rittertums das Schicksal der Kirche bessern«, hütete er sich, diese Macht gegen Urban VI. zu gebrauchen. Er verließ die Küste bei Ancona und überquerte die Apenninen im September, zog aber an der Straße nach Rom vorüber, obwohl ein kühner Zugriff ihm die Stadt zu jener Zeit wahrscheinlich in die Hand gegeben hätte. Spione hatten ihm die Nachricht überbracht, daß Hawkwoods Weiße Kompanie, die zu Urbans Verteidigung gedungen worden war, von Florenz zu dessen eigener Sicherheit zurückgehalten wurde. Statt dessen schlug Anjou gegen den Rat von Amadeus den Weg nach Neapel ein, und als die Armee durch die Schluchten und über die Felsspalten »zwischen Gipfeln, die den Himmel berührten«, hindurchzogen, holte die Katastrophe sie ein. Gebirgsbriganten, die mit Neapel in Verbindung standen, griffen den Troß an und überwältigten die Nachhut, die die Geschenke und die Kriegskasse sicherte, so daß Anjou, als er in Caserta ankam – nur noch einen Tagesmarsch von Neapel entfernt –, sehr viel ärmer als am Beginn des Feldzugs war. Das Gelände zu erkunden, durch das man zog, war kein Teil mittelalterlicher Kriegstaktik, weil es kein Teil der Turniere war. Der Kampf war alles.
Inzwischen war es November geworden. Als er neapolitanisches Gebiet erreicht hatte, war Anjou eine Woche lang in Aquila stehengeblieben, um an den Willkommensfeiern, die Parteigänger seiner Sache ausrichteten, teilzunehmen. Die Verzögerung erlaubte es Hawkwood, den Florenz nun
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