Der ferne Spiegel
tapfersten Ritter der Welt«.
Der König finanzierte den Herzog von Bourbon bis zu einer Summe von 12 000 Franken und verteilte 20 000 weitere unter die anderen Herren. Bourbon lieh sich zusätzlich 20 000 Franken vom Herzog von Orléans, dem er als Sicherheit die Einkünfte aus seinen Besitzungen bot. Coucy hatte gerade 6000 Franken für seine Ausgaben in Avignon und im Languedoc erhalten, lieh sich weitere 10 000 ebenfalls beim Herzog von Orléans und war »besser als alle« – außer Bourbon – »versorgt«. Er und der Graf d’Eu brachten zusammen ein Gefolge von zweihundert Rittern mit.
Die französische Gruppe traf in Marseille ihre genuesischen Transportschiffe. Von da aus segelten sie erst einmal nach Genua, um Proviant zu fassen. Bogenschützen, Fußsoldaten und fremde Ritter stießen hinzu. Man konnte inzwischen an die eintausendvierhundert bis eintausendfünfhundert Ritter und Knappen zählen, und die gesamte Streitmacht umfaßte etwa fünftausend Krieger. Nicht gezählt waren dabei etwa tausend Seeleute, um die vierzig Galeeren und die zwanzig Frachtschiffe zu bemannen. Bourbon, Coucy, Graf d’Eu und der tapfere Soudic gingen bei dieser Gelegenheit an Land, um von dem Dogen von Genua empfangen zu werden, der sie mit Gewürzen, Sirup, Damaszener Pflaumen und »anderen Essenzen gegen Übelkeit« beschenkte. Aber das konnte die knappen Vorräte nicht ausgleichen. Bourbon mußte zusätzlich zweihundert Fässer Wein, zweihundert Speckseiten und zweitausend Hühner für die Kranken und Verwundeten besorgen lassen. Aus Platzmangel mußten viele Pferde zurückgelassen werden, die, damit ihr Unterhalt nicht bezahlt werden mußte, für weniger
als den halben Preis verkauft wurden. Im letzten Moment gab es dann noch eine große Verlegenheit, als die Geistlichkeit die Flotte segnen sollte, denn Genua und Frankreich erkannten unterschiedliche Päpste an. Aber für den guten Zweck des Krieges war selbst das Schisma zu überbrücken. Zwei Priester spendeten schließlich den Segen, jeder für seinen Papst.
Nachdem diese Schwierigkeiten überwunden waren, bereitete sich die beeindruckende Armada am 1. Juli 1390 auf das Auslaufen vor. Es war ein großes Spektakel, das noch lange Zeit später ein Lieblingssujet der Illustratoren war. Man braucht den Lobredner wohl kaum zu benennen, der da sagte: »Es ist ein wundervoller Anblick, diese Flotte mit ihren wehenden Fahnen der verschiedenen Herren in der Sonne schimmern zu sehen und zu hören, wie die Musiker in ihre Fanfaren und Trompeten stoßen und der Klang der Stimmen über die See getragen wird und im Echo verhallt.«
Fast sofort darauf begegnete der Flotte ein Mißgeschick, als ein wütender Sturm die Schiffe zerstreute und eine Verzögerung von neun Tagen verursachte, bis sich alle am Treffpunkt Malta sammelten. In der letzten Juliwoche segelte die Flotte nach Mahdia, das an der geschwungenen Küste Nordafrikas einhundert Meilen südöstlich von Tunis lag. Die gutbefestigte Stadt lag in der Mitte und am höchsten Punkt einer eine Meile langen, schmalen Halbinsel; der Hafen war durch eine Kette verriegelt und konnte von Türmen aus mit Steinschleudern verteidigt werden.
Die Eroberer beschlossen, einen Landungstrupp unter Coucy abzusetzen, der den Feind ablenken sollte, während die Hauptmacht erst am nächsten Tag landen würde. Mit dem jungen, leicht erregbaren Grafen d’Eu an seiner Seite, ruderte Coucy mit sechsbis achthundert Reisigen und einer Anzahl genuesischer Bogenschützen in Landungsbooten an die Küste. Als die Ruderer die Boote über die ruhige See trieben, waren die Wasser selbst – in einem frühen Fall literarischer Vermenschlichung der Natur – »entzückt, diese Christen an die Ufer der Ungläubigen zu tragen«. Die Landungsboote trugen gewöhnlich bis zu zwanzig Pferde, deren Reiter noch auf See aufsaßen und mit geschlossenem Helm und eingelegter Lanze dann durch eine breite Tür im Heck den Feind angriffen. Wenn sie zurückgeschlagen wurden, ritten sie auf
das Boot zurück, das dann wieder auf die See hinausgerudert wurde.
Coucy ritt als erster an Land und formierte seinen Trupp sogleich in gefechtsmäßiger Aufstellung, um einem Angriff begegnen zu können. Nichts regte sich. Der Berbersultan Abu al Abbas hatte sich entschlossen, die Landung zuzulassen, ohne einen Kampf zu riskieren, da er die Bewaffnung seiner Truppen gegenüber der der Christen für unterlegen hielt. Auch danach plante er, eine Entscheidungsschlacht zu vermeiden und die
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