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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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ohne lange über Recht und Unrecht nachzudenken, »dem Krieg zuneigten, weil er sie ernährt hatte«.
    Jetzt aber eröffnete Englands alter Verbündeter, der Herzog der Bretagne, aufs neue seinen Streit mit Frankreich. Er legte die Loyalität eines Vasallen ganz ab, wurde in der Betonung seiner Eigenständigkeit immer streitbarer, prägte Münzen mit seinem Abbild und maßte sich alle Rechte eines autonomen Herrschers an. Die Franzosen waren darauf bedacht, ihn noch vor Beginn der Verhandlungen mit England unter Kontrolle zu bringen, da ihnen klar war, daß ansonsten die ungedeckte Flanke in der Bretagne ein schwerer Nachteil war. Coucy, einer der wenigen, mit denen der reizbare Herzog noch zu sprechen bereit war, arrangierte ein Treffen zwischen ihm und dem König und seinem Rat in Tours. Montfort kam mit einem Gefolge von eintausendfünfhundert Rittern in einem Konvoi von fünf mit Kanonen bestückten Schiffen die Loire herauf. Drei Monate lang, vom Oktober bis in den Dezember 1391, schleppten sich die Verhandlungen hin. Aalglatt und unversöhnlich weigerte sich Montfort, auf die französischen Bedingungen einzugehen. Als letztes Mittel bot der König an, seine Tochter Jeanne, kaum ein Jahr alt, mit Montforts Sohn zu verloben, um die Bretagne an die Krone zu binden. Eine ähnliche Lösung war nicht viel früher in den Auseinandersetzungen mit Karl von Navarra fehlgeschlagen. Montfort war einverstanden, schied aber ohne Höflichkeit und zog, »all seinen Haß bewahrend«, nach Hause. [Ref 376]
    In Tours wurde Coucy in eine Affäre verwickelt, die für ihn in bitterer, wenn auch posthumer Ironie enden sollte. Es verstarb zu der Zeit der einzige Sohn und Erbe des Grafen Guy de Blois und hinterließ einen gewaltigen Besitz ohne dynastischen Erben. Die unbezähmbare Besitzgier Ludwigs von Orléans richtete sich sofort auf diese Ländereien, die zwischen seinen Domänen Touraine und Orléans lagen. Er und der König und Coucy ritten von Tours herüber, um den trauernden und auch bankrotten Vater zu besuchen. Graf Guy war jener Mitgefangene in England gewesen, der seinen Besitz von Soissons, um sich freizukaufen, über König Eduard auf Coucy übertragen hatte. Eine wilde Verschwendungssucht hatte seitdem seinen großen Reichtum erschöpft; zu viel Essen und Trinken
hatten ihn und seine Frau »übermäßig fett gemacht«, so daß der Graf sein Pferd nicht mehr besteigen konnte und in einer Sänfte zur Jagd getragen werden mußte. Er litt unter Anfällen von Jähzorn und hatte einmal – was in dieser Zeit keine Seltenheit war – einen Ritter mit seinem Dolch erstochen. Nun war er alt, krank und kinderlos, umgeben von Schwärmen von Erbaspiranten.
    Coucy hatte großen Einfluß auf Guy, hielt außerdem noch ein Pfandrecht auf Besitz des Grafen, das sich auf Geld bezog, das der ihm noch von der Transaktion von Soissons her schuldete. Als »un grand traitteur« (ein hervorragender Unterhändler) wurde er von beiden Seiten ausgewählt, den Besitz des Grafen zu bewerten und den Verkauf an Ludwig von Orléans zu arrangieren. Die Veräußerung dynastischen Besitzes gegen Bargeld galt als nicht ehrenwert. Wenn Coucy zögerte, sich an einem solchen Handel zu beteiligen – und nichts weist darauf hin, daß er zögerte –, so wurde er von Ludwig für seine Dienste großzügig, fast zu großzügig, belohnt. Als es Coucy gelang, Blois’ Forderung für seine Territorien in Hainault von 200 000 Franken um 50 000 Franken zu reduzieren, zahlte ihm Ludwig die Differenz aus. Zugleich erließ Ludwig Coucy die 10 000 Florins, die er ihm für den tunesischen Feldzug geliehen hatte, »in Anerkennung der vielen und großen Dienste, die uns unser besagter Vetter erwiesen hat«. Für den ganzen Besitz der Blois’ zahlte Ludwig 400 000 Franken aus der Mitgift seiner Frau und wurde so ein Landbesitzer, der sich mit seinen Onkeln auf eine Stufe stellen konnte.
    Froissart, der vor den Tagen der leeren Geldbörse in den Diensten des Guy de Blois gestanden hatte, urteilt hart und ziemlich überraschend, daß »der Sire de Coucy in dieser Sache sehr zu tadeln war«. Vielleicht meinte er, daß Coucy nicht aus einem Handel hätte Geld ziehen dürfen, den Froissart als schändlich ansah. Die Verherrlicher einer Kaste halten die hohen Ideale oft strenger in Ehren als deren Mitglieder selbst. In historischer Ironie sollte Coucys eigener Besitz nach seinem Tod dem des Grafen von Blois in die Hände Ludwigs von Orléans folgen.
    Selten wenn jemals zu Hause,

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