Der ferne Spiegel
früherer Professor in Montpellier war Benedikt nicht der Mann, der sich von Pariser Akademikern beeindrucken ließ. Während er immer wieder seine Bereitschaft, bis zum Tode für die Einheit zu arbeiten, beteuerte, weigerte er sich, die Abdankung ohne bilaterale Garantie auf sich zu nehmen. Da in diesem Punkt die ins Auge stechende Schwäche der französischen Argumentation lag, mag er vermutet haben, daß die Franzosen ihn vor allem deshalb absetzen wollten, um einen neuen französischen Papst an seine Stelle setzen zu können – womit er nicht unrecht gehabt haben mag. Er wand sich und wich aus, während seine Jäger nachsetzten. Als sie forderten, den Text des Eides zu sehen, der von den Kardinälen im Konklave unterschrieben worden war, wies er dies zuerst zurück, bot dann an, ihnen das Wichtigste unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitzuteilen, und schließlich unter weiterem Druck, den Text laut zu verlesen, ohne aber das Dokument auszuhändigen. Als auch das abgelehnt wurde, beanspruchte er schließlich mit der Begründung, daß Entschließungen des Konklaves nicht mitgeteilt werden dürften, das Recht auf Geheimhaltung.
Immer noch in der Defensive, schlägt Benedikt schließlich eine Konferenz beider Päpste und ihrer Kardinäle vor. Die Besucher sagen, daß dieses aufgrund des Starrsinns des römischen Eindringlings unmöglich und Benedikts Rücktritt das Gebot der Stunde sei. Er will den Vorschlag in schriftlicher Form. Gilles Deschamps sagt, das sei nicht notwendig, da er in einem Wort mit zwei Silben auszudrücken sei: »Rücktritt.« Der Papst bittet um Bedenkzeit. Während der Pause fordert der Herzog von Burgund die Kardinäle auf,
ihm ihre Meinung zu sagen, »guten Gewissens als private Personen, nicht als Mitglieder des heiligen Kollegiums«. Sie sprechen sich mit neunzehn zu eins für die Abdankung aus, der einsame Opponent ist der Kardinal von Pamplona, ein weiterer Spanier. Als die Kardinäle ihre Meinung schriftlich niederlegen, verbietet Benedikt ihnen, das Dokument zu unterschreiben. Bei einer Audienz, von der die Delegierten der Universität ausgeschlossen sind, informiert er die Herzöge, daß er bereit sei, ihnen die Eroberung und den Besitz der päpstlichen Staaten zu überlassen, wenn sie ihn unterstützen. Auch gegen diesen Vorschlag bleiben sie taub.
Die Diskussionen dauern nun schon zwei Monate an, die Besucher kommen jeden Tag über den Fluß von Villeneuve herüber, wo sie untergebracht sind. Eines Morgens entdecken sie, daß jemand während der Nacht die berühmte Brücke in Brand gesetzt hat, indem er die Schiffe angesteckt hat, die an den Pfeilern festgemacht waren. In Furcht vor »Verrat« und Überfall greifen sie zu den Waffen, aber nach kurzer Besinnung verdächtigen sie den Papst. Wenn der Spanier sich auf der anderen Seite ins Fäustchen lacht, so nicht in der Öffentlichkeit. Er schwört, daß er mit dem Brand der Brücke nichts zu tun hat, schickt Handwerker, die die Brücke reparieren und einen provisorischen Bootsponton bauen sollen, kaum angemessen für die stolzen Herzöge und ihre Rosse. Die einzige Alternative aber ist die Überfahrt mit einem Boot, was langsam und angesichts der starken Strömung unsicher ist. Verärgert entscheiden sich die Besucher nach einer Beratung mit den Kardinälen, ein letztes Mal an den Papst zu appellieren. Benedikt XIII., immer noch seine Verpflichtung auf die Einheit der Kirche beteuernd, lehnt ab. Geschlagen ziehen die Franzosen nach drei Monaten ergebnisloser Bemühungen ab. Das Schisma bleibt ungelöst. [Ref 412]
Ohne eine Versicherung, daß seine Abdankung tatsächlich das Schisma beenden würde, kann Benedikt nicht allein die Schuld aufgeladen werden. Erstaunlicherweise gewann er einen Verfechter seiner Sache in Nicolas de Clamanges, der in solcher Wut den Untergang prophezeit hatte, wenn die Päpste den Rücktritt auch nur einen Tag verschöben. In einem Schritt, der an der Universität einen Sturm auslöste, nahm er nun das Amt des Sekretärs bei Benedikt an und sollte später über ihn schreiben: »Obwohl schwer
angeklagt, war er groß und liebenswert, und ich glaube, daß er ein heiliger Mann war, auch kenne ich niemanden, der preisenswerter gewesen wäre.« Handelte Nilcolas aus Überzeugung, oder war er gekauft? Da seine Motive uns für immer verloren sind, wollen wir annehmen, daß sie ehrlich waren.
Benedikt XIII. widersetzte sich weiterhin jedem Druck. Noch beinahe dreißig Jahre lang sollte er sich trotz des
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