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Der ferne Spiegel

Der ferne Spiegel

Titel: Der ferne Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Tuchman
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Entzugs der französischen Unterstützung, der Belagerung von Avignon, der Desertion seiner Kardinäle, der Absetzung durch zwei Konzile und der Rivalität dreier anderer Päpste weigern abzutreten. In einer spanischen Festung starb er 1423 im Alter von 94 Jahren, ohne jemals seinen Anspruch aufgegeben zu haben. [Ref 413]
     
    Unerwartet schien der Krieg, wenn auch nicht das Schisma, endlich beendet werden zu können. Im März 1395 schlug Richard II. die Eheschließung zwischen ihm und Isabelle, der Tochter des Königs von Frankreich, vor. Er war neunundzwanzig Jahre alt, sie sechs. Als ein Weg zum Frieden, der alle ungelösten Streitfragen einfach umging, war dies eine kühne Anregung, auch wenn Frieden nicht ihr einziges Motiv war.
    Richard II. konnte mit dem, was er »diesen unerträglichen Krieg« nannte, nichts anfangen. Er hatte kein Teil an dem Haß, den der lange Konflikt in den meisten Engländern gegen alles Französische geweckt hatte. Im Gegenteil, er bewunderte Frankreich und wünschte, seinen König zu treffen. Den Frieden suchte er vor allem deshalb, weil er sich gegen seine innenpolitischen Gegner durchsetzen wollte. Seit er von den Lords Appellant so rauh zur Ordnung gerufen worden war, hatte er sieben Jahre lang als konstitutioneller Herrscher regiert, aber seine autokratische Natur und die Erinnerung an jene Demütigung trieben ihn an, die absolute Monarchie zurückzugewinnen und seine Feinde zu unterwerfen. Die Würde der Krone, die einen Menschen verbessern, aber auch korrumpieren kann, scheint im 14. Jahrhundert im allgemeinen eine sehr einseitige Wirkung gehabt zu haben: Allein Karl V. gewann Weisheit aus der Verantwortung. Richard war launisch, zügellos, despotisch, emotional und aggressiv, wenn auch nicht kriegerisch. Als seine Frau, Anna von Böhmen, 1394 starb, überließ er sich seiner
Trauer so leidenschaftlich, daß er das königliche Schloß von Sheen, in dem sie gestorben war, zu zerstören befahl. Als er sich während der Bestattung durch das Verhalten eines der Lords Appellant , den Sir Arundel, beleidigt glaubte, ergriff er einen Stock und schlug ihn nieder.
    Anna war eine sanfte, gutmütige Frau in seinem Alter gewesen, die im Gegensatz zu ihrem unglücklichen Bruder Wenzel in den Chroniken ausnahmslos mit Worten des Lobes bedacht wird. Ihr Tod mag zugleich den Verlust des letzten zügelnden Einflusses auf den König bedeutet haben. Da Richard keinen direkten Erben hatte, war eine zweite Heirat ratsam, um die Linie fortzusetzen, aber die Wahl einer Sechsjährigen, mit der die Ehe ausdrücklich erst vollzogen werden sollte, wenn sie zwölf war, deutet an, daß der Gedanke an einen Sohn nicht Richards vorrangiges Interesse war. Er wollte die Versöhnung mit Frankreich, um den »Keilern« von England, der Kriegspartei, Einflußmöglichkeiten zu nehmen und um französische Unterstützung gegen sie zu gewinnen, wenn es nötig sein sollte. Seine Gesandten waren beauftragt, vom französischen König und seinen Onkeln sowie seinem Bruder die Versicherung zu bekommen, »Richard zu helfen und zu unterstützen, soweit ihre Macht reichte, auch gegen seine eigenen Untertanen«. [Ref 414]
    Das war kaum ein normales Verlangen eines Königs an einen anderen, besonders an einen, der noch so kürzlich der Feind gewesen war. Richard trennten nur noch zwei Jahre von seinem Griff nach der absoluten Monarchie, der Ermordung Gloucesters, der Hinrichtung Arundels, der Verbannung Norfolks und Heinrichs von Lancaster und der Serie von Provokationen, die ihn innerhalb zweier weiterer Jahre die Krone und schließlich das Leben kosten sollten. Moderne Historiker haben die These vertreten, daß er in diesen letzten Jahren unter einer Geisteskrankheit litt, aber das ist nichts weiter als eine moderne Sicht eines unter den Herrschern des 14. Jahrhunderts verbreiteten Makels: der Unfähigkeit, die eigenen Impulse zu kontrollieren.
    Richard II. war König in einer Zeit wachsender Spannungen, die unterdrückt, aber nicht beseitigt waren, seit die Bauern sich erhoben hatten. Gesetzlose Banden von räuberischen Rittern und Bogenschützen verbreiteten immer noch Unsicherheit, harte Steuerlasten
lagen auf dem Volk, das Lollhardentum erhob, trotz aller Versuche, es auszurotten, überall das Haupt. Da es ebensosehr eine gesellschaftliche wie eine religiöse Gefahr darstellte, brachte es Kirche und Staat gemeinsam gegen sich auf: Die Tage des Bündnisses von Wyclif mit Johann von Gaunt waren vorüber, auch wenn einige

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