Der ferne Spiegel
getragen von der Opferfreudigkeit des Mailänder Volkes. Spenden und Zuschüsse kamen von allen Schichten der Stadtbevölkerung. Die Zunft der Waffenschmiede erschien vollständig, um Trümmer und Erde mit Körben fortzuschaffen, die Tuchmacher folgten ihrem Beispiel, und das Kollegium der Notare, die Regierungsbeamten, die Adligen und andere luden sich immer wieder freiwillige Arbeitsleistungen auf. Die Viertel der Stadt wetteiferten miteinander um die höchsten Beiträge. Als die Porta Orientale einen Esel stiftete, der 50 Pfund wert war, gab die Porta Vercellina ein Kalb, das 150 Pfund einbrachte. In dem Register der Stiftungen erscheint die ganze Gesellschaft: aufeinanderfolgende Eintragungen nennen 3 Lire, 5 Soldi von »Raffalda, Prostituierte«, und 160 Lire vom Sekretär der Valentina der Visconti, Duchesa de Orléans. [Ref 410]
Coucy schloß mit dem Herrn von Mailand zwei Verträge, einer sah eine gemeinsame Truppe vor, um Genua zu erobern, der andere betraf den Weg der Tat. Im zweiten Vertrag verpflichtete sich Gian Galeazzo, eine bestimmte Anzahl von Lanzen zu stellen, wenn der König von Frankreich selbst nach Italien kam, um das Heer anzuführen, und eine geringere Anzahl, wenn der Führer Orléans oder – was kaum wahrscheinlich war – der Herzog von Burgund war. Während Coucy den Feldzug gegen Genua vorantrieb, wurde hinter seinem Rücken ein anderer Handel geschlossen. Eine Koalition von Florenz mit dem Herzog von Burgund und Königin Isabeau brachte den Dogen Adorno dazu, die Herrschaft Genuas direkt König Karl VI. anzubieten, was alle Pläne Orléans’ und Gian
Galeazzos vereitelte. Am Rande eines neuen Anfalls war Karl leicht zu manipulieren. In dem »kummervollen März« des Jahres 1395 wurde Coucy informiert, daß der König dem Herzog von Orléans dessen Anspruch auf Genua für 300 000 Franken abgekauft hatte und daß er nun für die Interessen eines neuen Herrn zu handeln habe. Auf Anweisung der Krone schloß er nun einen Waffenstillstand mit dem Dogen Adorno, der diesen prompt brach, indem er Savona belagerte. Im Laufe der Verteidigung wurde Coucy »am Bein verwundet« und verbrachte vier Tage auf dem Krankenlager; es mag eine neue Verwundung gewesen sein, war möglicherweise aber auch die Nachwirkung einer alten Verletzung von vor zehn Jahren. In dieser Zeit ist Coucy immer nur in kurzen Augenblicken der Geschichte zu sehen wie Flecken blauen Himmels zwischen ziehenden Wolken. [Ref 411]
Im August wurde die Belagerung von Savona aufgehoben, die Herrschaft des Königs von Frankreich über Genua bestätigt und Coucys Feldzug beendet. Am 13. Oktober sah man ihn mit einem Gefolge von einhundertzwanzig Reitern, als er Asti verließ, und am Abend desselben Tages erreichte er Turin auf seinem Weg zu einer weiteren Überquerung der Alpen. Bei seiner Ankunft in Frankreich hieß ihn Ludwig von Orléans mit einem Geschenk – oder der Bezahlung – von 10 000 Franken willkommen, »um ihm über alles, das er in Italien gelitten, hinwegzuhelfen«. Tatsächlich war es Coucy gelungen, für die französische Krone, wenn auch nicht für den Herzog von Orléans, den lang ersehnten Stützpunkt in Italien zu gewinnen. Die französische Herrschaft über Genua wurde im folgenden Jahre formal etabliert. Durch einen Volksaufstand 1409 abgeworfen, blieb sie als ein Anspruch bestehen, den Karls und Ludwigs Nachkommen, Karl VIII., Ludwig XII. und Franz I., noch bis ins 16. Jahrhundert hinein aufrechterhalten sollten.
Während Coucy noch mit seinem Zug gegen Genua beschäftigt war, verbündeten sich der Hof von Frankreich und die Universität von Paris in dem Versuch, Benedikt XIII. abzusetzen. Obwohl sie ihn gut kannten, waren die Franzosen durch die Wahl eines Spaniers vor den Kopf gestoßen, der, obwohl von adliger Geburt, nicht
mit den Valois, Bourbonen oder den Grafen von Savoyen verwandt war wie noch Klemens VII. Ein Ende des Schismas wurde immer dringlicher, da die Sturmglocken der Kreuzfahrt lauter wurden. Ungarische Gesandte waren auf dem Weg nach Frankreich; die Patriarchen von Jerusalem und Alexandria waren mit ihren Leidensgeschichten schon da.
Ebenso wie der bescheidene Erzbischof von Bari als Urban VI. über Nacht zu einem Grobian wurde, verwandelte sich der kluge und diplomatische Pedro de Luna in den rechthaberischen und unbeugsamen Benedikt XIII. Eine herzerweichende Bittschrift der Universität, seine Absicht, abzudanken, »nicht einen Tag, eine Stunde, einen Augenblick aufzuschieben«,
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