Der ferne Spiegel
genug davon hatten, so traf dies auf viele Engländer, für die der Herzog von Gloucester stand, nicht zu. Sie waren nach wie vor voller Groll, da sie sich um die Gewinne des Vertrags von Brétigny betrogen fühlten. Sie hungerten nach Genugtuung, und die Heirat verschob diese in ferne Zukunft. Unstete Ritter und freie Bauern ohne Land sahen noch immer im Krieg die einzige Möglichkeit, sich zu bereichern. Das gemeine Volk, das unter den lastenden Steuern und der Unterbrechung der Handelswege litt, mag den Frieden ersehnt haben, aber auch bei ihm war die französische Heirat nicht populär. Sie fürchteten, daß Richard II. den Franzosen zu viele Zugeständnisse machte; sie murrten wegen Calais, und Enttäuschung und Mißtrauen über die Wahl einer kindlichen Königin, und die andauernde Unsicherheit über die Thronfolge begleiteten die Heiratspläne.
Angesichts Gloucesters Einfluß und seiner Popularität bei den Londonern wagte Richard es nicht, die Verbindung ohne dessen Zustimmung und der seiner Partei einzugehen. Mehr als ein Jahr verstrich in dem Bemühen, sie einzuholen. Die Franzosen schickten Robert den Einsiedler nach London, um den Wunsch des Himmels nach Frieden zu betonen und um den Engländern die Notwendigkeit einer Kreuzfahrt nahezubringen, denn der Einsiedler konnte aufgrund seiner Reisen in Syrien von der türkischen Bedrohung berichten. Aber ein Visionär, auch wenn er mit sieben Rossen und auf Kosten des französischen Königs anreiste, war kaum der Mann, der Gloucester beeindrucken konnte. Als der Einsiedler auf dem Höhepunkt seiner Rede die Engländer warnte, daß »mit Gewißheit jeder, der gegen den Frieden ist, dafür teuer bezahlen wird, ob tot oder lebendig«, entgegnete ihm Gloucester mit schneidender Schärfe: »Woher weißt du das?« Robert konnte sich nur auf die »göttliche Eingebung« berufen, was den Herzog nicht beeindruckte. Er blieb »hartherzig gegen den Frieden« und »verurteilte und verachtete die Franzosen sehr«. [Ref 417]
Richard teilte dem Grafen Waleran de St. Pol, der den Einsiedler begleitet hatte, voller Sorge mit, daß Gloucester versuchte, die Engländer gegen den Frieden aufzubringen, vielleicht sogar »das Volk gegen mich aufzuhetzen, was eine große Gefahr ist«. St. Pol,
der nüchterne Bruder des seliggesprochenen Pierre de Luxembourg, riet dem König, seinen Onkel mit schönen Worten und großen Geschenken zu gewinnen, bis die Ehe und der Frieden geschlossen seien. Danach könne er sich »auf anderen Rat« besinnen, denn dann würde er stark genug sein, » alle Rebellen zu unterdrücken, da der französische König Euch in der Not helfen wird; dessen mögt Ihr gewiß sein«. Geld war das Schmiermittel der Politik damals wie heute. Richard versprach Gloucester 100 000 Pfund und ein Earltum für seinen Sohn, das 2000 Pfund im Jahr einbrachte (ein Versprechen, das er nie erfüllte), und es gelang ihm durch verschiedene Argumente und Pressionen, dessen stillschweigendes, wenn auch mürrisches Einverständnis zu gewinnen.
Eine Fernheirat und die Ratifikation des Waffenstillstands wurden im März 1396 in Paris gefeiert; Nottingham vertrat den König von England und hatte nun auch Gelegenheit, den von ihm so verehrten Ritter zu treffen, den er einst zum Zweikampf herausgefordert hatte, denn Coucy war einer der Gastgeber der englischen Gesandtschaft während ihres dreiwöchigen Aufenthaltes in Paris. Nach der Bestätigung des Heiratsvertrages durch die Freiherren von England begab sich Richard selbst im August nach Calais, wo er in Konferenzen mit dem Herzog von Burgund alles tat, um sich als Freund Frankreichs zu zeigen. [Ref 418]
Der Höhepunkt der Friedensbemühungen war das Treffen mit dem König von Frankreich, das mit aller angemessenen Pracht auf einem Feld voller farbenprächtiger Pavillons an der Grenze von Calais inszeniert wurde. Zwischen zwei Reihen von vierhundert französischen und vierhundert englischen Rittern »mit dem Schwert in der Hand« gingen die beiden Könige aufeinander zu, jeder von den Onkeln des anderen geleitet. Als sie sich trafen und einander umarmten, knieten die achthundert Ritter nieder, viele mit Tränen in den Augen. Treffen, Bankette und große Feiern folgten. Die siebenjährige Braut, in scharlachrotem, mit Smaragden besetztem Samt, wurde Richard II. im November in Calais vom Erzbischof von Canterbury angetraut. Coucy war nicht unter den Gästen und konnte so auch nicht seine Tochter Philippa wiedersehen, die zum englischen
Weitere Kostenlose Bücher