Der ferne Spiegel
Genuesern, traute Coucy ihren Versprechungen nicht und hütete sich, sich in ihre Macht zu begeben. Er weigerte sich sogar, Konferenzen in ihren Burgen abzuhalten, zog es vor, mit ihnen auf freiem Feld zu unterhandeln. Die Zusammenarbeit mit den Genuesern in Tunesien muß einen sehr schlechten Eindruck bei ihm hinterlassen haben.
Von Gian Galeazzo angeleitet, der Zusammentreffen arrangierte und Geld und Soldaten lieh, bahnte sich Coucy einen Weg durch das italienische Labyrinth, rekrutierte und zahlte Söldnerkompanien, handelte die Bedingungen für die Übergabe von Burgen und Territorien aus, konferierte mit Pisa und Lucca, um sich ihre Neutralität zu sichern, sandte Botschafter aus, um in anderen Teilen Italiens Anhänger eines zukünftigen Königreiches Adria zu sammeln. Was er an Papierkrieg zu bewältigen hatte, war umfangreich, und da die Dokumente in einem Archiv überlebten, gewähren sie Einblick in einen politisch-militärischen Feldzug des 14. Jahrhunderts. Das Anheuern von Truppen ging Stück für Stück vor sich: Guedon de Foissac kommt mit zwei Rittern, neunzehn Knappen und zehn Bogenschützen, Aimé de Miribel mit sechsundzwanzig Reisigen, Hennequin Wautre mit sechzehn Bogenschützen. Sechs italienische Kompanien sind zwischen zehn und dreihundertfünfzig »cavaliers« stark. Bonnerel de Grimaut (wahrscheinlich Grimaldi) empfängt 100 Goldflorins dafür, daß er »Mittel und Wege aufzeigt«, Savona unter Kontrolle zu bringen. Jerome de Balart, ein Doktor der Jurisprudenz, und Luquin Mourre, Landedelmann,
bekommen je 100 Goldflorins für Ratgeberdienste in derselben Sache.
Das Territorium von Savona, das sich gegen den Dogen erhoben hatte, ist der Schlüssel des ganzen Feldzuges und erfordert umsichtige, kluge Verhandlungen. Als gasconische Söldner eine von Savonas Vasallenstädten mit »Feuer und Blut« überziehen wollen, weil Einwohner drei ihrer Pferde getötet haben, müssen sie in aller Eile mit Geld beschwichtigt werden, 96 Écus, nicht zuviel für die Vermeidung von Feindseligkeiten, die die Kosten der Eroberung in die Höhe getrieben hätten. Der Weg nach Savona wird durch Vereinbarungen mit den Grundherren der umliegenden Gebiete erkauft. Schließlich gelingt es, Savona mit seinen Städten und Burgen durch »Geheimverträge« und die Zahlung von 6990 Goldflorins an die französische Sache zu binden. Jede Burg, deren Herr sich der französischen Allianz anschließt, ist verpflichtet, Orléans’ Flagge zu hissen, und jeder Burgherr wird durch monatliche Zahlungen in vereinbarter Höhe entschädigt, bis »der Herzog von Orléans zum Herrn von Genua ernannt ist«. Vierzig Angehörige der Familie Spinola bekommen zusammen 1400 Florins im Monat dafür, daß sie Coucys Truppen in ihren Städten und Festungen Quartier bieten. Die Aufzeichnungen für jede einzelne Transaktion in der präzisen, architektonischen Handschrift der Zeit unterstreichen, daß eines der vorrangigen Interessen auch der Ritterschaft in ihrer Blüte das Geld war. [Ref 409]
Nachdem Coucy im November die Vollmacht dazu vom König von Frankreich und dem Herzog von Orléans bekommen hatte, schloß er einen Vertrag mit Savona, der eine solch komplexe Menge von Rechten, Garantien und Verpflichtungen umschloß, daß er mit dem Vertrag von Brétigny zu vergleichen war. Dann ging er nach Pavia, um mit Gian Galeazzo über dessen genauen Anteil an dem gegenwärtigen Unternehmen und am zukünftigen Weg der Tat zu verhandeln.
Einundzwanzig Jahre waren vergangen, seit sich Coucy und Gian Galeazzo auf feindlichen Seiten in der Schlacht von Montichiari gegenübergestanden hatten. Sprachen sie über die alten Zeiten und erinnerten sie einander daran, wie knapp sie damals mit dem Leben davongekommen waren? Oder waren ihre Beziehungen
rein formeller Natur? Unterhielten sie sich über ihre jeweiligen Klostergründungen, Coucys Zölestinerkloster in Soissons, Gian Galeazzos Kartäuserkloster in Pavia, und sprach der italienische Fürst davon, daß er eines zu bauen beabsichtigte, »das in der Welt nicht seinesgleichen hatte«? Er starb, bevor er diese Ankündigung mit der Vollendung der berühmten Certosa di Pavia erfüllen konnte.
Ohne Zweifel wird Coucy die ersten Umrisse des Doms von Mailand gesehen haben, dessen Grundstein sein Gastgeber in frommer Dankbarkeit 1386 für den erfolgreichen Coup gegen Bernabò hatte legen lassen. Gian Galeazzo hatte eine monatliche Zahlung von 500 Florins bewilligt, aber im wesentlichen war das Gebäude
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