Der ferne Spiegel
zwei Meßkännchen für Wein und Wasser, einen silbernen Wasserkrug, in dem sich der Priester die Hände wäscht, einen schönen und würdigen Abendmahlskelch von angemessenem Gewicht für solch ein Kloster, vier Paare Kirchengerät für den Priester, den Diakon und den Subdiakon, von denen drei für den gewöhnlichen Gebrauch und das vierte für die Zeremonien an wichtigen Feiertagen
vorgesehen ist«. Weiter hinterließ er im Interesse seiner Seele Stiftungen für nicht weniger als einundzwanzig Kirchen, darunter die Notre-Dame de Chartres, »die, wie wir gewißlich glauben, für uns ein sichtbares Wunder verrichtete«. 1000 Florins sollten unter die Armen von Paris verteilt werden, ebensoviel an die Armen in seinen Besitzungen, und 800 Florins gingen an das Hôtel Dieu in Paris.
Anders als viele andere Adlige in ihrer Todesstunde hatte Coucy offenbar nicht das Gefühl, daß er irgend jemandem Abbitte zu leisten hätte. Es waren nur einige Schulden abzugelten. Sein einziger verfügbarer Besitz – ein Gewand und ein Wandteppich – sollten verkauft werden, um seine Diener und einen gewissen Abraham zu bezahlen, »Apotheker und Händler von Bursa«, der ihm Medizin gebracht hatte. Schulden, die er auf der Reise gemacht hatte, sollten mit Hilfe seiner in Venedig deponierten Juwelen bezahlt werden. Geoffrey Maupoivre und Jacques d’Amance, Marschall von Lothringen (dem Herzogtum der Familie seiner Frau), werden zu den Vollstreckern ernannt, hinzu kommen der Graf d’Eu, Boucicaut und Guy de Tremoille als Helfer und Berater. Diese drei unterschrieben auch zusammen mit Guillaume de Tremoille, Jacques de la Marche und sechs anderen Rittern das Dokument. [Ref 433]
Zwei Tage später, am 18. Februar 1397, starb Enguerrand VII., Sire de Coucy und Graf von Soissons, in Bursa.
Ein ganzer Mann in einer zerrissenen Zeit, war er von der Brutalität, Korruption und rücksichtslosen Selbstsucht seiner Klasse am wenigsten belastet. Die Ritter seiner Zeit sind von Clissons Biographen sehr gut beschrieben worden als »abwechselnd kultiviert und barbarisch, großzügig und blutdürstig, schurkisch und ritterlich, übermenschlich in ihrem Kampfesmut und ihrer Liebe zum Ruhm, unmenschlich in ihrem Haß, ihren wilden Narrheiten, ihrer Hinterlist und wütenden Grausamkeit«. Coucy unterschied sich von den meisten in seiner offensichtlichen Immunität gegen jene wilden Narrheiten. Er hatte ein stabiles Selbstverständnis, nahm jede Verantwortung außer dem Amt des Constable auf sich, blieb abwägend in seinem Urteil, kühl und fähig in seinen Leistungen. Wenn er kein wirklicher Führer seines Landes wurde, so deshalb, weil die Führung des Adels von vornherein nur dem König
zugestanden war, der noch bis in die Zeit Karls V. die Adligen persönlich in die Schlacht führte. Als Johann II. in englischer Gefangenschaft war, forderten die nordfranzösischen Adligen Karl von Navarra auf, sie gegen die Jacques zu führen, da er ein König war. Der Adel zeigte Einigkeit indessen nur, wenn er als Klasse bedroht war. Ansonsten waren die Interessen der Freiherren zu regional, die Gewohnheit der Unabhängigkeit zu stark, als daß ein Bedürfnis nach einheitlicher Führung aufkommen konnte.
Coucys englische Heirat gab ihm zwölf kritische Jahre lang eine Sonderrolle. Nachdem er sich ganz für Frankreich entschieden hatte, entwickelte er sich im Laufe des Feldzugs in der Normandie zu einer führenden Gestalt des französischen Adels und hätte Du Guesclin als Constable nachfolgen könne, wenn er es gewollt hätte. Die Gelegenheit, zu einer Gestalt von nationaler Bedeutung zu werden, aber verstrich mit dem Tode Karls V., denn unter der selbstsüchtigen Herrschaft der Onkel ging jedes Gefühl nationaler Verantwortung allmählich verloren. Coucy erhob sich nicht über die Tendenzen seiner Zeit; er ging mit ihr, er diente ihr besser als die meisten, und er starb an ihren Werten. Sein Tod machte sie ärmer. »Dieser Enguerrand VII.«, schrieb der Biograph von Boucicaut, »war als der verdienstvollste Seigneur seiner Zeit angesehen.« [Ref 434]
Coucys Tod wurde erst zwei Monate später in Paris bekannt. Robert d’Esne und nach ihm Jacques de Willay hörten davon in Venedig, als sie in den Orient reisten. Ludwig von Orléans wußte es noch am 31. März nicht, denn er entsandte in großer Fürsorglichkeit einen Schreiber mit Kleidung in die Türkei, nachdem er von den elenden Umständen, in denen die Gefangenen angeblich lebten, gehört hatte. Im
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