Der ferne Spiegel
VII., der ihr seine Krone schuldete, noch einer aus dem französischen Adel den Versuch, sie auszulösen oder zu retten, möglicherweise aus der Scham heraus, von einem Dorfmädchen zum Sieg geführt worden zu sein.
Jeanne d’Arcs Leben und Tod löste nicht sofort eine nationale Widerstandsbewegung aus; nichtsdestoweniger fochten die Engländer hiernach für eine verlorene Sache, ob sie es nun wußten oder nicht. Die Burgunder erkannten dies. Die Einsetzung Karls VII. als gesalbter König von Frankreich, mit einer zuversichtlichen Armee im Rücken, veränderte die Situation, dies um so mehr, als die Engländer durch steigende Reibereien zu Hause unter einem unmündigen König abgelenkt wurden. Der Herzog von Burgund ging allmählich zu Karl VII. über und besiegelte schließlich im Frieden von Arras das Bündnis mit ihm. Innerhalb eines Jahres gewannen die Franzosen die Kontrolle über Paris zurück. Der Krieg war damit nicht beendet, aber neue Hoffnung und Energie lagen in der Luft. Die Kämpfe wurden brutaler, da die Engländer mit jener Hartnäkkigkeit, die Eroberer überkommt, wenn die Eroberten sich weigern, zu kapitulieren, einen Feldzug fortsetzten, der mit dem Abfall der Burgunder hoffnungslos geworden war.
Diese ganze Zeit hindurch galt die dominierende intellektuelle Anstrengung in Europa der Beendigung des päpstlichen Schismas und der Reform der Kirche. Beide Ziele hingen direkt von der Suprematie des Konzils über das Papsttum ab. Solange beide Päpste es ablehnten, abzudanken, war ein Konzil die einzige Alternative. Der Streit um Schisma und Reform rief die schärfsten philosophischen und religiösen Kontroversen hervor, die über eine Folge von Konzilen im Zeitraum von vierzig Jahren unablässig debattiert wurden. Einberufen nicht vom Zentrum der Kirche, sondern von ihren Randbereichen aus, den Universitäten, Herrschern und Staaten, traten die Konzile in Pisa, Konstanz und Basel zusammen.
1409 in Pisa wurde das Problem der Reform, redegewaltig von Gerson und d’Ailly vertreten, unterdrückt, da sich alle Energien auf die Absetzung der beiden Päpste in Rom und Avignon richteten. Man beschloß, einen Nachfolger für die beiden zu wählen, aber der Auserkorene starb kurz darauf und wurde von einem kriegerischen Italiener, Baldassare Cossa, mehr ein condottiere als ein Kardinal, ersetzt, der den Namen Johannes XXIII. annahm. Da seine zwei rivalisierenden Vorgänger sich ebenfalls noch an den Heiligen Stuhl klammerten, war das Schisma nun dreifach. Weil Frankreich in Schwierigkeiten war, ging die Initiative an Kaiser Sigismund über, der das denkwürdige Konzil von Konstanz (1414 bis 1418) einberief.
Historische Konsequenzen ergaben sich für die Kirche aus der Beschäftigung des Konstanzer Konzils mit einem dritten Problemkreis, der Unterdrückung des Ketzertums, womit alle abweichenden Bewegungen gemeint waren, die sich aus der Malaise des vorhergehenden Jahrhunderts erhoben hatten. Die religiöse Vitalität war auf die Dissidenten, Mystiker und Reformer übergegangen und in negativer Form auf die Praktizierung von Hexerei und Zauberei. Bedroht, antwortete die Kirche mit feindseliger Verfolgung. Denunziationen, Prozesse und Verbrennungen mehrten sich, und in ihren Folterungen angeblicher Ketzer war die Inquisition so barbarisch und in ihrer Grausamkeit so erfinderisch wie nur irgendein ungläubiger Türke oder Chinese. Die Hexenjagd sollte in der zweiten Jahrhunderthälfte epidemische Ausmaße annehmen.
Konstanz beschäftigte sich mehr mit der grundlegenden Ketzerei
des Jan Hus, ideologisch gesehen der Nachfolger von Wyclif. Vorgeladen, um seine Lehre zu erklären und zu verteidigen, wurde er verurteilt und 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er hätte sehr wohl beanspruchen können – wie später Bischof Latimer –, daß die Flammen, in denen er starb, eine Kerze entzündeten, die nicht wieder zu löschen war.
Dem Konzil gelang es ebenfalls nach einer Serie dramatischer Auseinandersetzungen mit Johannes XXIII., ihn aufgrund von Vorwürfen der Piraterie, des Mordes, der Vergewaltigung, der Sodomie und des Inzests abzusetzen und den Kardinal Colonna von Rom als Martin V. zu wählen. Da der ehemalige römische Papst zum Rücktritt veranlaßt worden und der immer noch unnachgiebige Benedikt XIII. in Avignon isoliert war, erklärte man das Schisma für beendet, obwohl es sich über dem Streitpunkt der Reform noch einmal kurz beleben sollte. Der bedeutendere Kampf um die Vorherrschaft
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