Der Fetisch-Mörder
Aufteilung ablesen konnte, wer bereit war, für weniger als zehntausend Dollar aus dem Bett zu kommen, und wer nicht.
Sie versuchte vergeblich, Charles auf sich aufmerksam zu machen. Während der nächsten fünfzehn Minuten war er in ein Telefonat nach dem anderen verwickelt und ließ sich durch nichts ablenken. Er war ein Profi – ein gewiefter Schönredner, der seinem Gesprächspartner Honig um den Bart schmierte, doch wenn es ans Verhandeln ging, war er knallhart. Er stand in dem Ruf, über Wohl und Wehe einer Modelkarriere entscheiden zu können. Ihm wurde so viel Einfluss zugeschrieben, dass ihm etliche Topmodels von einer großen angesehenen Agentur gefolgt waren, als er dort gekündigt und zusammen mit einem mysteriösen Geschäftspartner die ›Book Model Agency‹ gegründet hatte. Mak war sich noch nicht sicher, ob Book wirklich eine gute Wahl für sie war, doch ihre Mutteragentur – so bezeichnete man die Agentur in der Heimatstadt eines Models – hatte ihr begeistert zugeraten. Es war quasi eine Ehre, mit Charles arbeiten zu können, denn er kümmerte sich ausschließlich um Top-Models. Wahrscheinlich hatten ihm ihre alten Cover von ELLE und Vogue gefallen.
Schließlich wandte er sich ihr zu, ohne jedoch das Telefon vom Ohr zu nehmen. »Ah, Makedde! Wie ist es am Freitag gelaufen?«
Das war nicht gerade die Frage, die sie erwartet hatte.
»Äh, prima. Abgesehen davon, dass ich meine Freundin tot im Gras gefunden habe. Ansonsten war’s ein Kinderspiel.«
»Oh.« Er schien ein wenig verlegen. »Stimmt ja. Arme Catherine. Es ist wirklich eine Schande. Sie wäre noch ganz groß rausgekommen. Ach, übrigens, Sixty Minutes will dich interviewen. Hier ist die Nummer.«
»Danke«, erwiderte Mak wenig begeistert. Sie nahm den Zettel entgegen und warf ihn in den Papierkorb, als Charles sich einen Moment lang umdrehte.
»Der Auftraggeber ist übrigens nicht besonders glücklich«, fuhr er fort. »Angeblich muss ein neues Shooting angesetzt werden, und sie machen uns Ärger wegen der zusätzlichen Kosten.«
Sie spürte, wie die Wut in ihr aufstieg. Catherine ist tot, und die denken nur an ihre kostbaren Fotos!
Charles widmete sich erneut seinem klingelnden Telefon.
Eine Bookerin gesellte sich zu Mak. »Ist es nicht furchtbar! Ich konnte es erst gar nicht glauben, als ich davon gehört habe. Sie war so ein süßes Mädchen.«
Mak hielt ihr die Hand hin. »Ich bin Makedde.«
»Skye.«
»Ich wollte euch gerade miteinander bekannt machen«, mischte Charles sich abwesend ein und telefonierte weiter.
Mak bedachte ihn mit einem ausdruckslosen Lächeln und wandte sich wieder Skye zu. »Du hast eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter meiner Freundin hinterlassen. Warst du Catherines Bookerin?«
»Ja.«
»Was wolltest du denn von ihr?«
»Sie war nicht bei ihrem vereinbarten Casting im Studio von Peter Lowe. Ich wollte einen neuen Termin mit ihr ausmachen.«
»Hat irgendjemand sie zu dem Casting aufbrechen sehen?«, hakte Makedde vorsichtig nach. »Hat sie vielleicht jemand mitgenommen?«
»Das hat mich die Polizei auch schon gefragt. Ein paar Leute haben gesehen, wie sie das Saatchi’s verlassen hat. Wahrscheinlich hat sie den Bus genommen.«
»Hattest du viel mit ihr zu tun?«
»Eigentlich nicht. Wenn sie wegen ihrer Buchungen hier vorbeikam, haben wir meistens ein paar Worte gewechselt, außerdem hat sie alle paar Wochen ihren Scheck bei uns abgeholt. Sie war immer ziemlich redselig, aber über ihr Privatleben hat sie nie viel erzählt.«
»Hat sie je was von einem Freund gesagt?«
»Nein. Aber wir gehen davon aus, dass sie einen hatte.«
Mak horchte auf. »Warum?«
»Na ja, sie hat nie viel mit den anderen Mädchen unternommen. Außerdem hatte sie sehr schönen Schmuck. Ich weiß nicht, es ist nur eine Vermutung.« Die ganze Geschichte schien Skye noch ziemlich zu belasten. »Hast du schon gehört, dass die Polizei Tony Thomas im Visier hat? Wahrscheinlich wegen seiner Ausstellung. Die ist ja auch ganz schön heavy.«
»Welche Ausstellung?«
»Seine S&M-Fotoausstellung. Ich war bei der Vernissage. Mein Geschmack ist es nicht, aber es soll ja Leute geben, die so etwas für Kunst halten.«
Ach, tatsächlich? »Läuft sie noch?«
»Ja, im Space in Kings Cross. Noch ein paar Wochen.«
Makedde beschloss, sich die Ausstellung anzusehen.
Es kostete sie weitere zehn Minuten, Charles’ Aufmerksamkeit lange genug auf sich zu lenken, um zu erfahren, was für den nächsten Tag anstand. Wie
Weitere Kostenlose Bücher