Der Fetisch-Mörder
schwebten, von magersüchtigen Hungerknochen, die sich ausschließlich von Zigaretten und Kaffee ernährten, von Bulimikerinnen oder Mädchen, die permanent Diätpillen schluckten, Abführ- oder harntreibende Mittel nahmen, sich mit Aufputschmitteln oder Tranquilizern volldröhnten oder alles mögliche schluckten. Und dann die Castingcouch. Für junge Mädchen ohne Begleitung mit schwach ausgeprägtem Selbstbewusstsein oder geringer Selbstbeherrschung konnte das Ganze zu einem unüberwindbaren, furchtbaren Hindernisparcours werden.
Andererseits hatten viele Models das Glück, jede Menge interessante Erfahrungen zu machen. Sie reisten in der Welt umher, kamen mit fremden Kulturen und anderen Weltanschauungen in Kontakt, lernten neue Sprachen und interessante Menschen kennen und verdienten, zumindest in einigen Fällen, einen Haufen Geld.
Wenn man all das im Hinterkopf hat – was soll man tun, wenn jemand, den man gut kennt, es darauf ankommen lassen und es versuchen will?
Was Makedde anging, so half sie ihrer Freundin, so gut sie konnte, und versuchte ihr beizubringen, den Fallstricken und Fußangeln aus dem Weg zu gehen. Mit ihrem sechsjährigen Alters- und Erfahrungsvorsprung weihte sie Catherine in die erforderlichen Tricks und Finessen ein und half ihr, sich in dem bizarren Labyrinth des internationalen Modebetriebs zurechtzufinden. Sie hatte ihr mehrfach aus der Patsche geholfen, doch als es wirklich darauf angekommen wäre, war sie nicht für sie da gewesen.
Sie war einen Tag zu spät gekommen.
Sie zerknüllte die Überreste der Zeitschriftenfotos, stopfte sie in einen großen Müllsack und ging zu dem ordentlichen Kleiderstapel mit Catherines Sachen. Die Unwins, Catherines Pflegeeltern, hatten klar zu verstehen gegeben, dass sie keine Verwendung für die Sachen hatten. Da die Polizei sie auch nicht benötigte, würde Mak sie einer Wohltätigkeitseinrichtung für Frauen überlassen und Catherines sonstige Habseligkeiten nach Kanada zurückschicken.
Catherines leibliche Eltern hatte sie nie kennen gelernt, und sie war dankbar, dass es ihnen erspart geblieben war, ihr einziges Kind derart zugerichtet kalt und leblos auf der Bahre eines Leichenschauhauses sehen zu müssen. Mit geschlossenen Augen stopfte sie die Kleidungsstücke in einen Müllsack. Sie wollte keine ihr bekannten Sachen mehr sehen. Der flüchtige Anblick eines moosgrünen Pullovers hatte genügt, jede Menge Erinnerungen in ihr aufsteigen zu lassen – Erinnerungen an eine lächelnde und ausgelassene Catherine in München, die soeben ihre erste große Shampoowerbung gelandet hatte und sich dafür mit einer ausgiebigen Shoppingtour belohnte.
Als sie sämtliche Kleidungsstücke transportfertig in Tüten verstaut hatte, widmete Makedde sich dem reich verzierten, antiken Schmuckkästchen, das neben dem Spiegel stand. Catherines geliebtes Schmuckkästchen. Es war in Feinarbeit aus Holz geschnitzt und aufwändig mit filigranen Mustern und funkelnden Halbedelsteinen verziert. Für Catherine war es ein emotionsbeladenes Erinnerungsstück an ihre leibliche Mutter gewesen, eines der wenigen fassbaren Dinge, die ihr von ihr geblieben waren. Es war klein und hatte sie auf all ihren Reisen begleitet. Alison Gerber hatte es ihrer Tochter nur wenige Monate vor ihrer verhängnisvollen Reise geschenkt. Catherines Eltern waren den Malahat Highway hinaufgefahren, um einen Freund zu besuchen. Der Malahat Highway zieht sich über endlose Kilometer in engen steilen Windungen durch die Berge von Vancouver Island. Auf dem Heimweg waren sie irgendwann im Laufe der Nacht auf Glatteis geraten. Der Wagen war von der Straße abgekommen, hundertfünfzig Meter einen Abhang hinuntergestürzt und schließlich in einer Pinienschonung gelandet. Beide Eltern waren gestorben, bevor das Autowrack entdeckt worden war. Catherine war zu Hause von einem Babysitter betreut worden. Sie war damals fünf Jahre alt gewesen.
Makedde setzte sich im Schneidersitz auf den harten Holzboden, hielt das Schmuckkästchen auf dem Schoß und öffnete es. Es war klein und enthielt nur wenige Stücke: einige dünne Silber- und Goldkettchen, die sich ineinander verheddert hatten, und darunter ein Paar elegante, mit Diamanten besetzte Ohrstecker sowie einen Silberring mit einem Türkis. Doch es war der auffällige Diamantring, der ihr sofort ins Auge fiel.
Sie nahm den Ring heraus. Er war ziemlich klobig, mit einem Quadrat aus Diamanten; ganz eindeutig gehörte er auf eine Männerhand. Das Gold war
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