Der Fetisch-Mörder
Gänsehaut, doch sie lächelte unbeirrt weiter.
»Bei welcher Agentur?«
»Book«, antwortete sie.
Kaum waren die magischen Worte gesprochen, öffnete er die Tür. Während sie vorsichtig in den verqualmten Nightclub trat, murmelte er irgendetwas Unverständliches und schloss die schwere Tür hinter ihr. Sofort wurden ihre Sinne von einem dröhnenden, hämmernden Dance Mix und einer schwitzenden Menge im Takt wogender Körper attackiert. Hinter einer langen, von Neonröhren beleuchteten Theke bedienten vier unentwegt hin- und hereilende, offenbar mit Steroiden vollgepumpte Barmixer in knappen schwarzen Lederwesten. Mak überlegte einen Augenblick, ob sie womöglich auf einer echten S&M-Party gelandet war, doch ein Blick auf die Tanzenden beruhigte sie. Leder schien einfach nur angesagt zu sein, und sie musste nicht befürchten, jeden Augenblick weggezerrt zu werden und sich eine Tracht Prügel einzufangen.
Sie blinzelte durch den Rauch und entdeckte, weswegen sie gekommen war – die Fotos. Im hinteren Teil des Clubs waren große Schwarzweißbilder ausgestellt. Sie bahnte sich einen Weg durch die zuckenden Leiber. Als sie kurz nach unten sah, um ihren Rock ein wenig herunterzuziehen, krachte ein fremder Ellbogen gegen ihren Kiefer. Sie wusste nicht, wer der Übeltäter war; bei den zahlreichen, wild umherwirbelnden Extremitäten hätte es jeder sein können, und es erwischte sie noch ein paar weitere Male. Sie hob die Fäuste vor ihr Gesicht wie ein Boxer in Verteidigungsstellung und schob sich weiter. Schließlich hatte sie sich über die volle Tanzfläche gekämpft und erreichte den hinteren Teil des Clubs, wo etliche weitere Gäste an Tischen saßen und sich zu unterhalten versuchten, doch ihre Kommunikation beschränkte sich gezwungenermaßen auf Gesten mit Händen und Füßen. Sie war erleichtert, dem Gedränge entronnen zu sein, und blieb einen Moment stehen, was sie jedoch sofort bereute.
Irgendjemand packte sie an der Schulter.
Völlig perplex holte Makedde einmal tief Luft, schoss herum und blickte in das Gesicht eines Mannes hinunter. Da sie nicht wusste, was sie erwartete, war ihre Faust zum Angriff geballt und ihr ganzer Körper angespannt. Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie den Grapscher erkannte.
»Ach, du bist es, Tony! Wie geht’s?« Sie hoffte, dass er ihr nicht anmerkte, wie sehr sein plötzliches Auftauchen sie erschreckt hatte.
»Gut. Und selber?«, versuchte er das ohrenbetäubende Gestampfe zu übertönen. Seine Bierfahne stieg Mak in die Nase.
»Ich bin okay. Ich habe von deiner Ausstellung gehört. In der Agentur sind sie ganz hin und weg davon.«
»Ach ja?« Sein Gesicht hellte sich auf. »Hast du dir schon alles angesehen?«
»Nein. Ich bin gerade erst gekommen.«
»Dann zeige ich sie dir.«
Makedde brachte ein Lächeln zustande, und er nahm sie bei der Hand und geleitete sie zu dem ersten seiner Fotos. Sie fühlte sich definitiv unwohl. Zwar wollte sie herausfinden, warum Tony sich mit seiner Ausstellung verdächtig gemacht hatte, auf eine persönliche Führung legte sie jedoch bestimmt keinen Wert.
Sie zermarterte sich das Hirn nach einer Ausrede. Meine Freunde warten auf mich? Ich habe morgen in aller Herrgottsfrühe einen Fototermin? Ich bin allergisch gegen Zigarettenrauch? Aber warum war sie dann hergekommen? Gute Frage.
Ihre Fragen zu der Ausstellung waren bereits mit dem ersten Bild beantwortet. Es zeigte eine junge nackte Frau, die mit einem dicken Seil gefesselt war. Ihr langes brünettes Haar war nach vorne gebürstet und fiel ihr übers Gesicht; weitere Seile, die um ihren Kopf gebunden waren, hielten ihre Mähne an Ort und Stelle. Der gesichtslose Körper war so straff gefesselt, dass das Seil der Frau tief ins Fleisch schnitt.
Makedde wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Das ist Josephine«, erklärte Tony stolz. »Eine Profi-Tänzerin.«
Sie beantwortete seinen fragenden Blick mit einem neutralen Lächeln. Er führte sie zum nächsten Foto.
»Das ist auch Josephine.«
Er starrte Makeddes Gesicht an, während sie das Foto eingehend betrachtete. Zu sehen war der gleiche gesichtslose Frauenkörper mit hinter dem Rücken gefesselten Händen, diesmal in einer extrem engen Lederkorsage und unglaublich hohen Stilettos. Die Füße der Frau wurden durch die hohen Absätze derart nach oben gebogen, dass es aussah, als krümmten ihre Fußknöchel sich über ihren Zehen. Ihre Brüste wurden aus dem Lederoberteil gequetscht, und das Fleisch an den nackten
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