Der Fetisch-Mörder
zu müde, einen klaren Gedanken zu fassen. Ob es am Jetlag lag oder an der späten Stunde – ihr Akku war leer, wie bei einem batteriebetriebenen Spielzeug, das seinen Geist aufgab.
Während sie die Haustür öffnete und hineinging, roch sie den widerwärtigen Gestank kalten Zigarettenqualms, der ihr in den Haaren hing. Erschöpft stapfte sie die Treppen hinauf und freute sich auf ihr warmes Bett.
Moment mal! Ich habe doch das Licht nicht angelassen!
Automatisch trat sie einen Schritt zurück, stolperte fast über ihre eigenen Füße und blieb wie angewurzelt an der Wand stehen. Irgendjemand war in ihrer Wohnung. Sie hörte Bewegungen. Lautlos hob sie die Hand und legte sie auf ihren Mund, als könnte sie so ihren Atem geräuschlos machen. Sie lauschte.
Irgendjemand war definitiv in der Wohnung.
Der Killer.
Oder wer sonst? Sie kam schnell zu dem Schluss, dass sie dem Eindringling auf keinen Fall allein begegnen wollte, und schlich so leise wie möglich auf Zehenspitzen die knarrende Treppe wieder hinunter. Was, wenn er sie gehört hatte? Was würde er ihr antun? Ging er davon aus, dass sie zu dieser nächtlichen Stunde unterwegs war, oder hatte er gehofft, sie schlafend im Bett vorzufinden?
Sie rannte los.
Voller Panik stürmte sie hinaus auf die Straße und lief weiter in die Richtung, in der sich die öffentliche Telefonzelle befand. Dort angekommen, überlegte sie es sich anders und rannte weiter; die Zelle war zu nah an ihrer Wohnung.
Am äußeren Nordrand von Bondi Beach hielt sie inne und wählte nervös die Handynummer von Detective Flynn. Sie hatte nicht die geringste Lust, ihre Lebensgeschichte irgendeinem Notruf-Operator auf die Nase zu binden, aber vielleicht gefiel es ihr auch einfach, einen Grund zu haben, Detective Flynn in den frühen Morgenstunden aus dem Bett zu scheuchen. Es klingelte zweimal, bis er an den Apparat ging. Einen Augenblick war keine Stimme zu hören, dann ertönte ein heiserer, schlaftrunkener Laut.
»Flynn.«
»Tut mir Leid, Sie zu wecken, Detective Flynn.« Oder auch nicht. »Sie müssen mir helfen. Ihre Leute sind doch nicht wieder in meiner Wohnung, um die Spurensuche fortzusetzen, oder?«
»Wie bitte? Nein.« Er hielt inne. »Makedde? Sie sind es doch, oder?«
»Ja. Das hatte ich mir schon gedacht. Wieso sollte man auch um diese Uhrzeit eine Wohnung durchsuchen?« Ihr Geplapper kam ihr auf einmal ziemlich blöd vor. »Irgendjemand ist in meine Wohnung eingebrochen. Wer auch immer es ist, ist in diesem Augenblick dort.«
Der Detective klang auf einmal hellwach. »Wo sind Sie? Ist Ihnen was passiert?«
»Nein. Ich bin ja nicht reingegangen. Als ich vor ein paar Minuten nach Hause kam, brannte in meiner Wohnung Licht. Ich bin sofort auf die Straße gelaufen, zur Telefonzelle.«
»Das haben Sie absolut richtig gemacht. Jetzt sagen Sie mir genau, wo Sie sind. In ein paar Minuten ist eine Polizeistreife bei Ihnen.«
Mak beschrieb ihren Standort und legte auf. Dann ließ sie sich an der Wand der Telefonzelle hinabsinken und setzte sich auf den kalten Betonboden. Ihre dunklen Strümpfe hatten eine Laufmasche, die bis zum Oberschenkel reichte. Unter ihren Fingernägeln hafteten Rußreste, die sich bereits in ihre Haut gefressen hatten.
Wenige Minuten später fuhr ein Polizeiwagen vor. Die Fahrerin war eine Frau mit scharfen Gesichtszügen, kurz geschnittenem blondem Haar und dünnen Lippen. Ihr Partner war ein bulliger junger Mann mit einem runden Gesicht. Stehend glich er einem Furcht einflößenden Riesen, was Makedde unter den gegebenen Umständen ein Gefühl der Sicherheit vermittelte.
Sie nahm auf der Rückbank Platz, und die Beamten fragten sie, was passiert sei. Sie beschrieb ihnen kurz, was sie erlebt hatte, und erwähnte ihre Verbindung zu dem Mordfall Gerber.
Makedde sah sich nach allen Seiten um. Die Straßen waren wie leer gefegt, was in einer Montagnacht um kurz nach zwei mitten im Winter kein Wunder war. Während der Fahrt zu ihrer Wohnung drückte sie sich tief in den Sitz des Polizeiautos. Als sie näher kamen, sah sie, dass das Licht immer noch brannte.
»In welcher Wohnung wohnen Sie?«
»In der einzigen, in der Licht brennt. Nummer sechs.«
»Würden Sie uns bitte Ihre Schlüssel geben, Miss?«
Makedde reichte den beiden Polizisten ihren Schlüsselbund. Sie verriegelten den Wagen und überquerten die Straße. Mak sank noch tiefer in den Sitz und drückte sich am Fenster die Nase platt, während sie beobachtete, wie die beiden Polizisten das
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