Der Finanzer
geschmuggelten Zigarren herauszugeben.
»Ausg'hängt!« schrien die Arbeiter; der Wagen ist abgekuppelt.
Zitternd riß der Ambulanzer jetzt den Sortiertisch von der Wand und die gegen dieselbe gerichteten Schubladen auf,
in welchen die Zigarrenkistchen lagen.
»Ha!« rief triumphierend Anton und packte die nun doch erwischte Konterbande.
Verzweiflungsvoll gebärdete sich der Ambulanzer und flehte händeringend um Barmherzigkeit. »Machen Sie
mich im Dienst nicht unmöglich!«
Lergetbohrer reichte die gesamte Konterbande heraus, vier Kistchen Prisagozigarren, die der Zollassistent sofort ins
Amtszimmer tragen und wiegen ließ.
Inzwischen wurde der Postwagen wieder angekuppelt. Voll der höchsten Neugierde betrachteten die Reisenden aus den
Waggonfenstern den ungewöhnlichen Vorgang, der solche abnorme Verspätung verursacht.
Der Ambulanzer mußte mit in die Kanzlei, wo ein Protokoll aufgenommen wurde.
Das ermittelte Gewicht ergab 3,8 Kilo Zigarren. Rasch ward gerechnet: Bei einem Zoll von ö.W. fl. 52,50 pro 100 Kilo
geben 3,8 Kilo aufgerundet fl. 2,–, hierzu Lizenzgebühr für Einfuhrerlaubnis mit fl.11,– pro 1 Kilo fl.
41,80, in Summa fl. 43,80. Laut Gesetz kommt dazu die fünffache Strafe für die Zollgebührhinterziehung, macht
zusammen ö.W. fl. 219,–.
Der Ambulanzer fiel schier in Ohnmacht bei dieser für seine Verhältnisse entsetzlichen Ankündigung. Vier
Monatsgagen sind verloren.
»Das Geld haben Sie wahrscheinlich nicht bei sich!« meinte der Assistent. »Wir lassen Sie nach
Unterzeichnung des Protokolls abfahren. Das Weitere wird die Untersuchung ergeben.«
Zitternd unterschrieb der schier gebrochene Fahrpostbeamte das Protokoll und wankte hinaus in seinen Dienstwagen.
»Gute Reise!« wünschte der Assistent, der nun mit schallender Stimme am Zuge verkündete:
»Zollamt fertig!«
»Abfahrt!«
Ein Pfiff und der Schnellzug rollte mit zweiunddreißig Minuten Verspätung aus dem Buchser Bahnhof.
So ward ein Hauptzigarrenschmuggler abgefaßt. Und dieser geglückte Fang hatte zur Folge, daß
tagtäglich die Tische der Postwagen untersucht wurden. Es fiel aber nur noch ein einziger Ambulanzer herein. Die anderen
waren gewarnt und ließen die Finger von dem gefährlichen Schmuggel.
Doch verging kaum eine Woche, kam von Wien wieder ein Wink, daß trotz alledem immer noch Zigarren und Seidenwaren
eingeschmuggelt würden, daher besonders in Buchs die größte Wachsamkeit betätigt werden solle.
Es war nun naheliegend, daß Lergetbohrer ersucht wurde, der verzwickten Angelegenheit in specie nachzuforschen, zu
welchem Zweck er vom Bahnrevisionsdienst entbunden wurde und die Erlaubnis erhielt, in Zivil seinen Dienst ohne
behördliche Kontrolle zu versehen.
Das ist nun auch zweifellos ein ehrenvoller Auftrag, aber ein ebenso heikler, denn es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür,
wo die Nachforschungen einzusetzen hätten.
Lergetbohrer beschloß, sein Äußeres etwas zu verändern und opferte den Schnurrbart, den er sich im
Städtchen abnehmen ließ. Vor dem Spiegel im Friseurladen stehend, mußte Anton lächeln über den
eigenen Anblick und die Verwandlung. Nützt selbe nichts, dann ist es wirklich schade um das gebrachte Opfer.
Wo nun beginnen?
Die österreichischen Kondukteure wurden scharf überwacht und Stichproben insofern vorgenommen, daß ihre
Ledertaschen bei Dienstantritt untersucht wurden. Das Resultat blieb null wie bei den Wagenbremsern.
Einige Zeit überwachte Lergetbohrer unauffällig in Zivil auch die Wagenputzer bei ihrer Tätigkeit und
untersuchte nach deren Arbeitsvollendung mit Zustimmung der Bahnverwaltung jedes Coupé auf das sorgfältigste. Von
Tabak und Zigarren wurde nicht das geringste gefunden, dafür aber Kaffeebohnen, die sich in den Polstersitzen,
vorwiegend in den Coupés erster Klasse, befanden.
Das ist eine hübsche, überraschende Entdeckung, welcher nachzugehen Anton in der nächsten Zeit
beschloß.
Nachdem nun Postbeamte, Kondukteure, Bremser und Wagenputzer nicht schwärzen, wer vom Eisenbahndienst könnte des
Schmuggelns verdächtig sein? Bleibt nur noch das Maschinenpersonal übrig, sofern überhaupt auf der Eisenbahn
und von Eisenbahnern geschmuggelt wird.
Schon am gleichen Tage, da Anton auf diesen Gedanken gekommen, umschlich er die zur Abfahrt nach Österreich
bereitstehenden Lokomotiven und gewahrte, daß merkwürdigerweise die Finanzwachaufseher an den Lokomotiven
völlig achtlos vorübergehen und die Zugrevision stets erst
Weitere Kostenlose Bücher