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Der Finanzer

Titel: Der Finanzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
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sondergleichen!« zeterte die Dame.
    »Eine Flegelei!« schrie außer sich der Herr, nahm die Dame an den Arm und schritt mit ihr auf den Perron
hinaus.
    Der Assistent zuckte die Achseln, auch Lergetbohrer weiß nicht, wie er diesen Fall deuten soll.
    Auf das zweite Zeichen zum Einsteigen begab sich das Paar in ein Coupé erster Klasse; die übrigen Reisenden
nahmen gleichfalls ihre Plätze im zur Abfahrt fertigen Zuge ein. Kaum war das Paar eingestiegen, verließ es wieder
das Coupé und eilte in den Revisionssaal. Mit bebender Stimme, zorngerötet, rief der Herr dem Assistenten zu:
»Dirigieren Sie augenblicklich mein Gepäck in den Zug! Ich bin Don Carlos, Infant von Spanien! Und die Dame hier
ist meine Gemahlin, Donna Anna de Braganza!«
    Stramm erwiesen die Zöllner Honneur, doch im Bewußtsein streng erfüllter Pflicht erklärte der
Assistent: »Ich muß Ew. Königliche Hoheit jetzt um Legitimation bitten!«
    »Was? Sie glauben meinem Wort nicht?«
    »Es ist möglich! Aber nach dem ganzen Verlauf glaube ich es jetzt nicht mehr!« »Unerhört! Das
kostet Sie die Charge!«
    »Das wollen wir abwarten. Als Mitglieder des Allerhöchsten Kaiserhauses geben sich so viele Leute aus, um
zollfreie Abfertigung zu erlangen, daß der Zollbeamte im Dienst auf Legitimation bestehen muß. Hätten Sie
Namen und Stand gleich zu Beginn der Revision angegeben, wäre Ihre Angabe glaubhaft gewesen, wiewohl Allerhöchste
Herrschaften uns Beamten den Dienst stets zu erleichtern und Dienerschaft mitzuführen pflegen, welch letztere bei der
Gepäckrevision anwesend ist. Ich bedaure den Vorfall, er ist aber nicht meine Schuld!
    »Eine unerhörte Flegelei! Augenblicklich lassen Sie mein Gepäck frei!«
    »Nein! Die Koffer bleiben hier, werden amtlich plombiert und morgen mit dem Expreßzug nach Wien
gehen!«
    »Infam! Wir fahren gar nicht nach Wien!«
    »So! Also ist Ihre vorige Angabe des Reisezieles unrichtig! Das Gepäck bleibt hier! Gehorsamster Diener!«
Ribler salutierte.
    »Höchste Zeit! Der Zug fährt in einer Minute ab!« rief der Portier.
    »Das sollen Sie büßen!«
    Mit dieser heiser gerufenen Drohung eilte das Paar an den Zug, stieg ein, und der Train verließ den
nachtverhüllten Bahnhof Buchs.
    Die Zöllner atmeten auf. Eine solche Revision hat noch keiner mitgemacht. Aufgeregt entfernten sich Ribler und
Lergetbohrer aus der Halle, deren Lampen nun verlöscht wurden. Der Dienst ruht nun bis morgen früh.
    Am nächsten Morgen galt alles Gespräch im Buchser Bahnhof dem nächtlichen Ereignis. Die wenigsten Leute
glaubten an den hohen Stand des Paares zufolge der verdächtigen Umstände. Allerhöchste Personen fahren nicht
eine qualvolle Nacht mit dem »Bummelzug« über den Arlberg ohne jegliche Dienerschaft. Außerdem wurde
das Inkognito viel zu spät und ohne den Schatten eines Beweises gelüftet. Kein Wunder denn, daß die
Zöllner glaubten, es sei ein Schleichhandelversuch gewesen. Ribler verständigte in einem Bericht über den
Vorfall das Wiener Hauptzollamt. Mit dem Expreßzug wurden die dreizehn Koffer unter Zollverschluß an das
Hauptzollamt Wien abgesandt. Nun sollen die Wiener Zöllner den kuriosen Fall erledigen. Das Buchser Amt hat seine
Pflicht mit bestem Wissen und Gewissen erledigt.
    Als sich die Aufregung über den Don Carlos-Vorfall gelegt hatte, erinnerte sich Lergetbohrer beim Anblick eines
Schweizer Waggons erster Klasse seiner Entdeckung der vorgefundenen Kaffeebohnen, und sofort beschloß er, auf diesen
Schmuggel sein besonderes Augenmerk zu legen. Es fiel dem Oberaufseher schon nach Umfluß einer Woche auf, daß an
jedem dritten Tage eine sehr distinguierte Gesellschaft mit dem Feldkircher Morgenzug durch Buchs weiter in die Schweiz, am
Abend aber wieder zurückfuhr, und zwar stets erster Klasse, und ohne jedes Handgepäck. Es waren zwei Damen, sehr
elegant gekleidet, und ein Herr, noble Leute, denn der Herr spendierte den Stationsdienern, welche ehrerbietig den
Wagenschlag öffneten, stets ein Trinkgeld, weshalb diese Reisenden mit größtem Respekt behandelt wurden. Das
müssen nun Ausflügler sein. Anton fand es aber auffällig, daß derlei Ausflüge so
regelmäßig und ohne jegliches Handgepäck gemacht wurden. Letzterer Umstand hatte die natürliche Folge,
daß die drei Reisenden stets unbehelligt durch die Revisionshalle schreiten und den bereitstehenden
österreichischen Zug nach Feldkirch besteigen konnten. Ob darin nicht eine Absicht steckt? Das Mitführen auch

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