Der Finger Gottes
auch nicht gemeldet! Wenn Sie etwas wissen, dann sagen Sie’s, wenn nicht, dann hat sich unser Gespräch erledigt.«
Brackmanns Angst hatte sich gelegt, er fühlte sich sogar sicher. Er glaubte Engler, daß er den Mund gehalten hatte. Er hätte jetzt aufstehen und das Haus verlassen können, und wahrscheinlich hätten die Vandenbergs nie etwas über den Aufenthaltsort der Frauen in Erfahrung gebracht, und er hätte seine Ruhe gehabt, hätte sich nicht vor den Vandenbergs zu fürchten brauchen, aber etwas drängte ihn, zu bleiben und zu sagen: »Ich hatte sie bis gestern bei mir versteckt und dann in Sicherheit gebracht. Wenn Sie so wollen, ich habe sie Ihrem Zugriff entzogen.«
»Augenblick, Augenblick, ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstehe, Brackmann, aber vielleicht geben Sie mir eine Erklärung, damit ich begreife?« Jonas Vandenbergs Augen hatten sich zu Schlitzen verengt; sein Oberkörper schoß ruckartig nach vorn.
»Nun, die beiden Damen haben bei mir um Hilfe nachgesucht, und ich habe sie ihnen gewährt. Als Polizist ist es meine Aufgabe, Verfolgten Schutz zu bieten.«
»Verfolgten? Wieso Verfolgten?! Was zum Teufel soll das bedeuten?!« zischte Jonas erregt. »Was ist eigentlich los? Bin ich hier in einem Irrenhaus? Brackmann, was ist mit Csilla und Sarah? Und wo sind sie?«
»Was mit ihnen ist, können Sie vielleicht am ehesten beantworten. Und über das ›wo‹ kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Tut mir leid.«
»Es wird Ihnen erst recht leid tun, wenn ich nicht auf der Stelle etwas über den Verbleib von Csilla und Sarah erfahre! Also, ich warte!«
Brackmann veränderte seine Haltung, indem er die Beine übereinanderschlug, seine Schachtel Rothhändle aus der Hemdtasche zog, sie Jonas Vandenberg hinhielt und aufreizend lässig fragte: »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich rauche?«
Jonas schüttelte den Kopf. Brackmann zündete sich eine Zigarette an, musterte sein Gegenüber durch den ausgeblasenen Rauch hindurch.
»Also gut, Herr Vandenberg, unterhalten wir uns ein wenig über Ihre Nichte und Ihre Schwägerin. Weshalb sind Sie so versessen darauf, die beiden Damen wiederzusehen? Wenn ich die Schilderungen von den beiden Damen richtig verstanden habe, dann hat ihnen das Leben hier nicht sonderlich viel . . . Freude . . . bereitet. Sie empfanden dieses Haus als eine Art Gefängnis, was für Csilla wohl noch eher zutrifft als für Sarah. Und es gibt offenbar mehrere Gründe, warum dies so war. Warum also wollen Sie sie wiederhaben? Nur um sie weiter einzusperren?«
»Das, Brackmann, geht Sie wohl einen feuchten Dreck an! Aber wenn es Sie interessiert, Csilla ist meine Nichte, das heißt, Victor ist mein Bruder und gleichzeitig ihr Vater, und der möchte seine Tochter gerne wieder im Haus haben! Und Sarah ist die Frau von Martin, und Martin macht sich große Sorgen um sie! Und noch mehr Sorgen um seine Tochter. Genügt Ihnen das als Antwort? Und außerdem kennen Sie nur die Meinung der Frauen. Glauben Sie etwa jedes Wort? Csilla zum Beispiel ist krank. Ich kann Ihnen eine Vielzahl ärztlicher Atteste vorlegen, die ihre psychische Labilität beweisen. Und Sarah, mein Gott, sie hat sicher Probleme in ihrer Ehe, aber ehrlich«, sagte er grinsend, »welche Ehe ist schon vollkommen? Wo sind sie also?«
»Vielleicht können wir uns über Csilla und Sarah unterhalten, nachdem Sie mir ein paar Fragen zu ein paar Dingen beantwortet haben, die mir noch unklar sind.«
Es klopfte an die Tür, ein junger Mann trat ein, ohne eine Aufforderung abgewartet zu haben. Jonas Vandenberg machte eine ungehaltene Handbewegung, bellte: »Jetzt nicht«, worauf der Mann wortlos verschwand. »Was für Unklarheiten?«
»Nun, mir sind ein paar unerfreuliche – nennen wir es Mitteilungen – zugespielt worden. Herr Vandenberg, ich will Sie nicht lange aufhalten, denn ich weiß, auch Ihre Zeit ist sehr begrenzt, vor allem für einen Mann, der sicher schon bald ein sehr bedeutendes Amt innehaben wird . . .«
»Blablabla, sparen Sie sich dieses Geschwafel und rücken Sie schon raus damit, was wollen Sie?«
»Wenn Sie meine Fragen beantworten, bin ich gleich wieder verschwunden . . .«
»Also, schießen Sie los, auch wenn ich bezweifle, daß ich Ihnen weiterhelfen kann«, sagte Jonas geschäftsmäßig kühl, lehnte sich wieder zurück, seine Haltung entspannte sich.
»Sie kennen Maria Olsen?«
»Flüchtig!« sagte er gelangweilt. »Ich habe lediglich vernommen, daß sie tot sein soll.«
»Das stimmt. Ich gehe
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