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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Sie sehen, ich weiß alles von den andern, weil in ihren Augen nur ich ihnen ihre Sünden vergeben kann. Was natürlich nicht stimmt, denn Gott allein vergibt Sünden, aber Gott sehen sie nicht. So einfach ist das. Ich glaube also nicht, daß auch nur einer weiß, daß ein schwuler Priester auf der andern Seite des Beichtstuhls sitzt . . . Mit Ausnahme der Vandenbergs, aber die kommen nie zur Beichte. Zufrieden, Brackmann?«
    Brackmann holte tief Luft, er fühlte sich hundeelend. Hilflos, kraftlos, und doch hätte er am liebsten mit seinen eigenen Händen die Kirche dem Erdboden gleichgemacht, am liebsten hätte er Engler gepackt und ihn zusammengeschlagen, gleichzeitig aber wurde ihm bewußt, auf welch verlorenem Posten er stand, und daß Engler letztendlich auch nur eine bemitleidenswerte Kreatur war, eine, die von Waldstein mit Haut und Haaren gefressen worden war.
    Da war eine ganze Stadt, die den Vandenbergs, dieser fetten Made, jeden noch so schmutzigen Dienst erwies, ihr den Speichel, der ihr aus dem Maul triefte, gierig aufleckte, selbst in den Arsch dieser fetten Made hätten sie ihre Zunge gesteckt. Eher würden sie sich gegen ihn, Brackmann, stellen, ihn vierteilen oder hängen, als auch nur ein Wort gegen dieses nimmersatte, vollgefressene Ungetüm zu erheben.
    »Zufrieden? Sind
Sie
denn zufrieden?« fragte er mit Resignation in der Stimme.
    »Um Himmels willen, glauben Sie mir eines, ich war nie zufrieden. Man kann Unrecht eine Weile verdrängen, mankann sich selbst, ja sogar Gott belügen, zumindest glaubt man das zu können. Aber das stimmt nicht, Gott läßt sich nicht belügen, nicht einmal in Gedanken, denn Gott kennt selbst diese. Ich für meinen Teil werde eines Tages meine Schuld abtragen müssen. Nicht hier, an anderer Stelle. Denn Gott läßt sich nicht verspotten. Schon gar nicht von mir. Ich habe einst ein Gelübde abgelegt, das ich gebrochen habe.« Er machte eine Pause, sah Brackmann verzweifelt an. »Vielleicht, aber auch nur vielleicht, wird Gott mir meine geschlechtliche Verirrung vergeben – doch«, er kämpfte mit den Tränen, hatte sich jedoch erstaunlich schnell wieder in der Gewalt, »er wird mir das mit Höllerich nicht vergeben! Er wird mir niemals vergeben, daß ich einen Mord gedeckt habe. Daß ich nicht den Mut aufbrachte, mich zu wehren. Daß ich das Ansehen der Menschen höher einstufte als das Gottes. Und das Schlimme ist, ich werde diesen Fehler niemals wiedergutmachen können.«
    »Sie haben Höllerich nicht umgebracht.«
    »Sie verstehen nicht, Brackmann! Es gibt göttliche Gesetze, die weit über den weltlichen stehen! Ich hätte eher mein Leben hingeben als mich auf einen solchen Handel einlassen sollen. Ich war zu sehr auf das Ansehen der Menschen bedacht und habe darüber vergessen, daß es viel wichtiger ist, einen guten Stand bei Gott zu haben.«
    »Und wenn Sie sich damals geweigert hätten, Höllerich hier auf dem Friedhof . . .«
    »Dann hätten sie ihn irgendwo anders verscharrt, aber jeder hätte von meiner Neigung erfahren. So wäre es gewesen. Und ich, ich hätte trotzdem nicht über Höllerich sprechen dürfen, Sie wissen ja, das Gelübde . . .«
    Brackmann stand auf, steckte die Hände in die Hosentaschen. »Okay, Engler, vielleicht verstehe ich Ihre Gefühle tatsächlich nicht. Doch hören Sie jetzt gut zu! Ich habe in wenigen Minuten einen Termin mit Jonas Vandenberg. Erwird versuchen, alles aus mir herauszukitzeln, was möglich ist. Er wird mich wegen seiner Nichte und Schwägerin ausquetschen. Ich habe die Frauen jedoch in Sicherheit gebracht, sie sind nicht mehr in Waldstein. Ach ja, ich kann doch wohl hoffentlich davon ausgehen, daß Sie den Vandenbergs nichts davon erzählt haben, daß ich die Frauen versteckt hatte?«
    Engler schüttelte energisch den Kopf.
    »Gut, ich glaube und vertraue Ihnen. Ich werde, trotz aller Angst, die ich zugegebenermaßen habe, den lieben Herrn Vandenberg mit all dem konfrontieren, was Sie mir erzählt haben, allerdings – und das zu Ihrer Beruhigung –, ohne Ihren Namen zu nennen. Jetzt sagen Sie mir, Sie, der Sie die Vandenbergs so gut kennen – wie muß ich mich verhalten?«
    »Wie Sie sich verhalten sollen? Ich habe keine Antwort darauf. Ich würde sagen, so vorsichtig wie noch nie in Ihrem Leben! Kein unbedachtes Wort, denn Jonas ist gerissen. Sie kennen seine politischen Ziele. Und diese wird er sich nicht von einem Dorfpolizisten vermasseln lassen. Wenn Sie ihn in die Enge treiben«, Engler sah Brackmann mit

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